Als ich neulich als Beifahrer im Auto saß, hörte ich meinen Fahrer aufstöhnen. Weil er auf einer Distanz von etwa 100 Metern hinter einer Radfahrerin bleiben musste. Mit etwa 17 km/h. Das Gestöhne ärgerte mich, weil ich das Lamentieren über 10 Sekunden Zeitverlust nicht nachvollziehen kann. Aber es freute mich auch, weil er wenigstens nicht knapp überholt hat. Er fuhr nach StVO und ist auch nicht zu dicht auf die Radfahrerin aufgefahren.
StVO: Mindestabstand beim Überholen
Seit der Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) im April 2020 gilt: Kraftfahrzeuge müssen beim Überholen von Fahrrädern einen seitlichen Mindestabstand halten:
- Mindestabstand außerorts: 2 Meter Seitenabstand.
- Mindestabstand innerorts: 1,5 Meter Seitenabstand.
Berndadette Felsch (ADFC): Regel muss auch beachtet werden
Was Bernadette Felsch sagt, die Vorsitzende des ADFC Bayern: „Zu eng von KFZ überholt zu werden ist mit die gefährlichste und unangenehmste Erfahrung beim Radfahren – und diese ist leider nicht selten. Manche steigen nach solchen Erlebnissen lieber gar nicht mehr aufs Rad. Der ADFC hat sich deshalb lange dafür eingesetzt, dass aus dem schon immer empfohlenen ein verpflichtender Überholabstand wird. Doch die beste Regel nutzt nichts, wenn sie nicht bekannt ist und nicht beachtet wird. Wir hoffen, dass wir dies gemeinsam ändern und ein besseres Miteinander und mehr Sicherheit im Verkehr schaffen können!“ Quelle
Studie der Hochschule Kempten zum Mindestabstand
Wie sieht der Überholabstand in der Praxis aus? Werden die 1,5 beziehungsweise 2 Meter eingehalten? Dieser Frage ist ein Forschungsteam der Hochschule Kempten nachgegangen. An der im Frühjahr 2024 durchgeführten Studie beteiligt waren:
- Die Professoren Thomas Zeh und Tim Poguntke.
- Studierende, deren Fahrräder mit einem Open-Bike-Sensor ausgestattet waren, einem Messgerät für den Überholabstand.
Messorte
Mehrere Tausend Überholabstände wurden in folgenden Orten gemessen:
- Buchloe
- Memmingen
- Kempten
Ergebnis der Studie
Die Ergebnisse der Studie sind ernüchternd:
- Professor Zeh: „Wir haben Stellen gefunden, an denen im Durchschnitt 65 Prozent der Überholvorgänge zu knapp erfolgen – also mit weniger als einem Meter Abstand“.
- Wo kein „Schutzstreifen“ markiert ist, machen Autofahrer eher einen Bogen als bei „Schutzstreifen“.