Noch vor zehn Jahren war die Verkehrserziehung vor allem auf Schulkinder ausgerichtet. Als Folge dieser kindorientierten Pädagogik purzelten die Autos nur so über die Straßen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Verkehrserziehung ist moderner und vielfältiger geworden.
Moderne Verkehrserziehung
Das war früher ganz normal: Die Autos purzelten nur so über die Straßen und die gröbsten Fahrer stifteten einen solchen Unfrieden, dass sich die anderen gar nicht mehr auf die Straße trauten. Zum Glück weiß man heute, wer die Erziehung am dringensten nötig hat und welche Methoden auch wirklich wirksam sind. Die Pädagoginnen und Pädagogen der Radkolumne haben, damit es nicht zu Trotz und Tränen kommt, hilfreiche Tipps und Tricks für alle Zielgruppen der Verkehrserziehung zusammengetragen. Denn so viele müssen besser erzogen erzogen werden – vom tobenden Autofahrer bis zum überforderten Verkehrsminister.
Verkehrserziehung für tobende Autofahrer
Es gibt Autofahrer, die noch nicht einmal die einfachsten Regeln einhalten können, also die Grundregeln der StVO, der Straßenverkehrsordnung. Sie muss man immer und immer wieder daran erinnern, was sie in ihrem Alter eigentlich schon wissen müssen! Regel Nummer 1: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“ und Regel Nummer 2: „Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Doch mit Ermahnungen und gutem Zureden alleine ist es zumeist nicht getan. Wirkungsvoller ist es, sie eine Zeit lang vom Spielen auszuschließen und ihnen Zeit zum Nachdenken zu geben.
Achtung: Wenn ein Autofahrer wütend wird, weil er seinen Willen nicht durchsetzen kann, und uns deshalb beschimpft und bedroht, sollten wir auf keinen Fall nachgeben. Wir belohnen ihn auch nicht mit einem Lächeln, weil die wüsten Wörter aus seinem Mund irgendwie lustig klingen. Wir bleiben gelassen und lassen uns nicht von seinen Schimpfwörtern provozieren. Wir bleiben Sie ruhig und nehmen es nicht persönlich. Und wir vermeiden es auf jeden Fall, den Spiess umzudrehen und unsererseits den Autofahrer zu beschimpfen.
Verkehrserziehung für süchtige SUV-Eltern
Schwer erziehungsbedürftig sind SUV-Eltern, die ihren Nachwuchs mit dem Panzerwagen vor der Kita-Gruppe oder der Schule absetzen. Hier heißt es, äußerst behutsam vorzugehen. Wir poltern also nicht gleich los! Wir zeigen unsere Wertschätzung, indem wir loben, wenn sich ein SUV’ler kooperationsbereit gezeigt hat oder seine Pflichten erfüllt. So merken die Quälgeister, was die richtigen Verhaltensregeln sind. Wir sagen zum Beispiel dann, wenn ein SUV’ler den Weg zum Bäcker auf der anderen Straßenseite zu Fuß zurückgelegt hat:
„Es freut mich, dass du nicht den Porsche genommen hast.“
Verkehrserziehung für autozentrische Verkehrsplaner
Verkehrsplaner glauben oft noch, dass die ganze Stadt alleine den Autos gehört und dass Fußgänger und Radfahrer überhaupt keinen Platz brauchen. Wenn sie richtig in Fahrt sind, können Sie sich gar nicht mehr vorstellen, dass jemand zu Fuß zum Bäcker läuft oder mit dem Rad zur Schule will. Was da hilft? Wir müssen es ihnen erklären! Aber nicht so, dass wir Trotz- und Heulattacken auslösen. Es sind die kleinen Verhaltensänderungen, die wir loben und immer wieder bestärken. Denn alle Schritte brauchen viel Zeit. Oft ist es unerlässlich, eine Forderung in kleine Teilschritte aufzuteilen: Zum Beispiel nur eine Durchfahrtsperre für Autos zu errichten, statt die ganze Straße für den Autoverkehr zu sperren. Oder zunächst nur einen kleinen Abschnitt der Stadtautobahn zu fluten, statt die gesamte Strecke.
Kombination aus Urinal & Radweg: selbst ausprobieren bitte!
Die beiden obigen Bilder zeigen einige markante Stellen des Würzburger Urinalwegs, einem Ensemble aus drei olfaktorisch erlebnisreichen Unterführungen, unterbrochen durch Erlebnis-Kreuzungen. Auf den Kreuzungen treffen sich Menschen spontan, die sich vorher noch gar nicht kannten. Diese Anlagen haben sich zwar in vielen Städten durchgesetzt, aber wer erklärt den Verkehrsplanern, dass die Zielgruppe nur sehr verhalten Beifall klatscht?
Pädagoginnen und Pädagogen können ein Lied davon singen, wie schnell die Theorie in der Praxis an ihre Grenzen stößt. Was wir nicht vergessen dürfen: Ganz wichtig bei der Erziehung der Verkehrsplaner ist der praktische Bezug! Wir schicken die Verkehrsplaner durch die Unterführung. Verkehrsplaner lernen – wie wir alle – am besten durch Erfahrung.
Verkehrserziehung für kaspernde Verkehrserzieher
Verkehrserzieherinnen und Verkehrserzieher, diese drolligen Gestalten, brauchen viel Anerkennung. Sie glauben nämlich, alles zu wissen, und tragen entsprechend dick auf: Da gibt es einen toten Winkel. Und obwohl viele Gehwege halb zugeparkt sind, gibt es eine Kinderseite des Gehwegs. Manche erzählen sogar das Märchen, dass Autos an roten Ampeln und am Zebrastreifen halten.
Verkehrserzieher wollen geschätzt, geliebt und anerkannt sein. Wir dürfen ihnen also nicht den Mund verbieten, wenn sie mit ihren Kaspereien auftrumpfen möchten, die sie sich aus den Unterrichtsmaterialien des ADAC und der Verkehrswacht angeignet haben. Wir können Sie aber mit pfiffigen Fragen ein bisschen vom Sockel holen, zum Beispiel:
„Trauen Sie sich nicht, mit dem Fahrrad zum Verkehrsunterricht zu kommen? Haben Sie Angst vor dem Mordstreifen? Oder stört sie nur die Bettelampel?“
Der Verkehrserzieher wird mit Sicherheit antworten, dass er ja ein Auch-Radfahrer ist. Nur sei ihm das Material für die Verkehrserziehung zu schwer und zu sperrig für das Fahrrad. Deshalb fragen wir noch einmal nach:
„Haben Sie denn kein Lastenrad?“
Verkehrserziehung für prahlende Autowerber
Der Prahlhans unter den Prahlhänsen, das ist der Autowerber. Hier kann zwar medikamentöse Behandlung helfen, aber es ist nicht auszuschließen, dass dies mit gefährlichen Nebenwirkungen verbunden ist – weil er bereits Pillen eingenommen hat, um seine Phantastereien weiter zu spinnen. Wenn er im Rausch ist, halluziniert er vom Stadtgeländewagen. Im Zustand seiner Trance ist es am besten, den Autowerber in einen mit Matrazen und Airbags ausgestatteten Raum zu bringen. Dazu sprechen wir mit beruhigender Stimme:
„Es wird alles wieder gut. Aber nimm nur noch die Hälfte von den Pillen, die du schluckst.“
Verkehrserziehung für vergessliche Juristen
Wenn ein Jurist überfordert ist, vergisst er oft die einfachsten Sachen. Zum Beispiel den Raserparagrafen des Strafgesetzbuchs. Hier ist es wichtig, zunächst keine Überreaktion zu zeigen. Vergesslichkeit ist normal und wir alle vergessen hin und wieder etwas. Diese Vergesslichkeit kann daraus resultieren, dass Juristen täglich mit vielen neuen Paragrafen konfrontiert werden, die sie erst verarbeiten müssen, und der StGB § 315d ist eben nur einer davon. Allerdings richtet sich die Vergesslichkeit bei Juristen vor allem auf solche Paragrafen, die sie als unwichtig empfinden. So würden Verkehrsjuristen vermutlich niemals diejenigen Paragrafen vergessen, mit denen sich Bußgelder für Autofahrer abwehren lassen, da sie hierauf ihre höchste Priorität legen. Für uns ist hier viel Geduld erforderlich. Mit diesem Satz bringen wir den vergessenen Paragrafen wieder in Erinnerung:
„Es könnte auch dein Kind sein, das von einem Raser überfahren wird.“
Verkehrserziehung für Journalisten, die mit Ausdrücken um sich werfen
Oh, diese Ausdrücke! „Der Fußgänger überquerte die Straße an einer unübersichtlichen Stelle“ und „Es war dunkel„. Das sind noch die harmloseren Sprüche. Die derberen Ausdrücke wie „Übersehen“, „Touchiert“ und „Der Radfahrer trug keinen Helm“ folgen bald. Wenn wir so etwas in einer eigentlich seriösen Zeitung lesen, zucken wir zusammen und sind erst einmal entsetzt.
Was steckt dahinter? Journalisten brennen darauf, Wörter, die sie in den Unfallmeldungen der Polizei, oder in der Autopresse aufgeschnappt haben, an uns auszuprobieren und unsere Reaktion zu testen. So entdecken sie die Macht der Sprache. Es gibt kaum etwas, das so heftige Reaktionen auslöst, wie die Beschimpfung von Unfallopfern. Für Journalisten ist die Täter-Opfer-Umkehr deshalb spannend und faszinierend. Sie testen Grenzen aus.
Viele können und wollen das nicht tolerieren und noch weniger akzeptieren. Sie schämen sich für ihre Zeitung und stellen sich die Frage, wie sie darauf richtig, journalistengerecht und vor allem nachhaltig reagieren sollten. Laut schimpfen? Einen Leserbrief schreiben? Darüber lachen oder es einfach ignorieren? Welches ist die beste Strategie?
Am besten ist die ganzheitliche Methode. Wir fragen den Journalisten mit ruhiger, aber entschlossener Stimme, ob er die ganze Wahrheit geschrieben oder nicht doch etwas vergessen hat. Damit wecken wir seinen Ehrgeiz. Wir fragen den Journalisten:
„Hat denn der Fahrer des Wagens die Höchstgeschwindigkeit eingehalten? Hat er seine Geschwindigkeit an die Sichtverhältnisse angepasst? Hat ein Auto auf am Zebrastreifen geparkt und die Sicht verdeckt? War der Fahrer betrunken oder hat er am Handy gespielt?“
Verkehrserziehung für weinende Anwohner
Anwohner sind wie kleine Kinder. Wenn sie unzufrieden sind, dann weinen sie oft. Herzerweichend ist ihr Wimmern und Schluchzen, wenn sie verlorenen Parkplätzen vor ihrer Haustüre nachtrauern. Hier wäre das Nachgeben allerdings ein schwerer pädagogischer Fehler. Besser ist es, die Parkplatzbeweinerinnen und -Beweiner zu trösten und ihnen die veränderte Situation mit sanfter, beruhigender Stimme zu erklären. Mit folgenden Sätzen verhindern wir, dass sie sich in Weinkrämpfe hineinsteigern:
„Dein Auto ist nicht weg, es parkt nur weiter weg . Du musst jetzt immer 500 Meter bis zu deinem Auto laufen. Du schaffst das bestimmt, und es wird dir sogar gut tun.“
Verkehrserziehung für fahrlässige Fahrzeugbauer
Bei ihnen muss alles immer schnell, schnell gehen. Aber dann, wenn Sie ihre Arbeit abgeliefert haben, sehen wir gleich, woran es hapert. Ihre Autos sind keine Fahrzeuge für die Straße geworden, sondern für den Krieg. Viel zu schwer, zu breit und nicht schön anzusehen. Die Menschen fürchten sich davor. Trotzdem dürfen wir ihnen nicht ihren Stolz nehmen. Pädagogischer ist es, ein wertschätzendes Lob der Person des Fahrzeugbauers mit einer realistischen Einschätzung seiner abgelieferten Arbeit zu verbinden:
„Was du gebaut hast, hat dir sicherlich viel Mühe gekostet, aber du hattest bestimmt auch deinen Spaß dabei. Auf der Straße kann dein Auto zwar nicht fahren, aber ich kenne einen Truppenübungsplatz. Da fragen wir beide mal nach, ob die deine Konstruktion gebrauchen können.“
Verkehrserziehung für überforderte Verkehrsminister
Ein Verkehrsminister muss sich ja um so viele Dinge kümmern. Er muss so viele neue Autobahnen bauen! Er muss Kaufprämien für Autos verteilen! Er muss Bänder zerschneiden, wenn irgendwo eine Umgehungsstraße eingeweiht wird. Und der muss seiner Karriere nach der Ministerzeit den Weg ebnen.
Deswegen hat ein Verkehrsminister auch keine Zeit, sich auch noch um einen ordentlichen Schutz der Schulkindern vor den Rasern zu kümmern. Oder um eine Absenkung der Tempolimits. Oder um eine Einhaltung der Tempolimits. Mit pädagogischen Maßnahmen können wir vielleicht erreichen, dass vor dem Ministerium eine Luftpumpe aufgestellt wird, aber nicht viel mehr.
Was wir können: Bei der nächsten Wahl ein bisschen besser aufpassen.
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