Das 49-Euro-Ticket soll kommen. Es heißt dann aber Deutschlandticket. Warum? Wer Schlimmes dabei denkt, hat leider Recht. Das Ticket wird umbenannt, weil der Preis nicht ewig bleibt. Die 49 Euro gelten zunächst mal für 2023 und 2024. Die Radkolumne nennt die Details.
Deutschlandticket: Gültigkeit
Das 49-Euro-Ticket, beziehungsweise Deutschlandticket, gilt wie schon der Vorläufer (9-Euro-Ticket), im gesamten öffentlichen Nahverkehr. Also in allen Linienbussen und Bahnen einschließlich Straßenbahnen, U-Bahnen und S-Bahnen.
Das Ticket macht das Pendeln günstiger. In der Stadt ein bisschen, vom Vorort in die Stadt ein bisschen mehr und bei Fahrten von Stadt zu Stadt zahlt es sich so richtig aus. Das ist prima! Der Fernverkehr ist allerdings ausgeschlossen! Keine EC, IC und ICE, keine Nightjets, Sprinter und was sonst noch so auf den Gleisen unterwegs ist!
Deutschlandticket: Ab 2023
Als Starttermin ist der 1.1.2023 geplant. Voraussetzung ist dafür, das sich die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister von Bund und Ländern einigen und die leidige Finanzierung klären. Nach Schätzungen müssen beide Parteien jeweils etwa 1,5 Milliarden Euro für 2023 (und 2024) zuschießen. Mitzureden haben aber auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Länderchefs, also die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten.
Wackelkandidat Bayern
Als Wackelkandidat gilt Bayern, vertreten durch Markus Söder (CSU). Verwunderlich ist das nicht, denn in Bayern liegen die fünf schlechtesten ÖPNV-Landkreise Deutschlands. Und die Christsozialen scheut sich auch nicht davor, die Steigerwaldbahn zwischen Schweinfurt und Kitzingen endgültig zu zerstören. Die Gleise liegen nämlich noch im Boden. Die bayerische Staatsregierung lässt den öffentlichen Personennahverkehr verwahrlosen. Insbesondere auf dem Land. Doch jetzt zurück zum Thema: 49-Euro-Ticket, in welcher Form?
Handyticket und Plastikkarte
Das Deutschlandticket soll es für das Handy und als Plastikkarte geben. Dabei ist an ein monatlich kündbares Abo gedacht, ähnlich wie bei der BahnCard, die ja auch nur als Abo erhältlich ist (allerdings nicht monatlich kündbar). Sehr praktisch ist das für Pendlerinnen und Pendler. Die langen Schlangen zum Monatbeginn an den Verkaufsstellen der Verkehrsverbünde sind dann wieder weg. Apropos Verkehrsverbünde:
Deutschlandticket statt Tarif-Dschungel
Wie bereits beim 9-Euro-Ticket gilt: Die Kleinstaaterei ist abgeschafft. Wer das Deutschlandticket hat, muss sich um Tarife, Zonen, Waben, Streifen und Tralala keine Gedanken machen. Super! Das Einfuchsen in Tarifgebiete nervt nämlich total und ist viel zu kompliziert. Die Menschen hassen Verkehrsverbünde. Sie wollen davon nichts wissen.
Preiserhöhung eingeplant
Wermutstropfen: Der Preis für das Deutschlandticket bleibt nicht dauerhaft bei 49 Euro, sondern soll nach den ersten beiden Jahren an die Inflationsrate angepasst wrden. Aus dem 49-Euro-Ticket von 2023 könnte also 2025 ein 59-Euro-Ticket werden.
Qualität der Verbindungen
Wir alle kennen noch das Chaos vom 9-Euro-Ticket: Überfüllte und ausgefallene Züge! Hoffentlich wird das beim 49-Euro-Ticket besser. Damit die Fahrgäste nicht wie die Sardinen in der Büchse sitzen, muss natürlich das Angebot ausgeweitet werden. Das Problem ist: Busse und Bahnen fahren im ländlichen Raum ja jetzt schon viel zu selten. Das Angebot ist zu begrenzt, besonders zu Randzeiten und am Wochenende.
Ich höre Kritiker jetzt behaupten, dass deshalb alle Pendlerinnen und Pendler auf das Auto angewiesen sind. Und natürlich müssen 90 % aller Deutschen die hüftkranke Oma auf dem Einödhof versorgen. Und 90 % aller Deutschen arbeiten im Schichtdienst im Krankenhaus. Die Radkolumne sagt: Schluss mit diesen Ausreden! Die Ausweitung des ÖPNV-Angebots lässt sich babyleicht finanzieren, und zwar so:
Anwohnerparken für 49 Euro im Monat
Vorschlag der Radkolumne: Das Anwohnerparken wird auf 49 Euro im Monat angehoben, für die großen und schweren SUVs auf 98 Euro. Das mit den Gebühren eingenomme Geld kommt dann den Betreibern des ÖPNV zugute. Bundeskanzler Scholz oder jemand von den Grünen sollte das mal ins Gespräch bringen! Verkehrsminister Wissing wird sich nämlich nicht trauen, die Wahrheit auszusprechen. Die Wahrheit heißt: Das Klimaticket muss solide finanziert werden. Anderfalls könnte, so warnt auch der VDV, der Verband der Verkehrsunternehmen, das Projekt ein Schuss in den Ofen werden. Wem nützen billige Tickets, wenn die unterfinanzierten Verkehrsunternehmen Konkurs anmelden müssen und das Angebot zurückgefahren wird? Das kann es ja nicht sein.
Klimaticket Österreich
So nebenbei: In Österreich gibt es ein Klimaticket, und zwar als Jahreskarte für nahezu alle öffentlichen Verkehrsmittel, also auch die schnelle Bahn (österreichweit in Zügen der ÖBB für die 2. Klasse, der Westbahn in den Klassen 2 und 2 + und im Regiojet unter bestimmeten Bedingungen – hier bitte vor Ort informieren). Der Preis ist dafür allerdings etwas teuer, er liegt bei beträgt 1095 Euro, umgerechnet drei Euro pro Tag. Auch nicht schlecht: Ermäßigungen gibt es für Jugendliche, Senioren und Menschen mit Einschränkungen bei der Mobilität. Erhältlich ist das österreichische Klimaticket seit dem 26. Oktober 2021, dem österreichischen Nationalfeiertag.
Fazit zum Deutschlandticket
Ja zum Deutschlandticket. Für Menschen mit einem schmalen Geldbeutel ist das ein Segen. Für die Umwelt ist es auch ein Segen. Pendeln wird bezahlbar. Bitte das Ticket nicht schlecht reden, sondern gut finanzieren. Da hat die gescholtene Ampelkoalition mal was richtig gut gemacht!
Streckentipps
Du willst nicht zur Arbeit pendeln, sondern Reisen und was erleben? Den Sommer genießen? Mal ein bisschen den Alltag hinter dir lassen? Für Bahnfreaks hab ich noch ein paar Streckentipps. Aber ohne jede Gewähr. Wer an einem Provinzbahnhof hängen bleibt und im aufgegebenen Schrankenwärterhäuschen übernachtet: auf eigene Verantwortung!
Von Mannheim nach Koblenz
Regionalexpress von Mannheim (das liegt in Baden-Württemberg) nach Koblenz (das liegt in Rheinland-Pfalz), und natürlich auch in die Gegenrichtung. 330 Kilometer in vier Stunden. Prima zum Anschauen der Weinberge an der Mosel. Und zum Weintrinken, wenn es langweilig wird.
Von Erfurt nach Würzburg
Regionalbahn von Erfurt (das liegt in Thüringen) nach Würzburg (das liegt in Bayern), und natürlich auch in die Gegenrichtung. 153 Kilometer in etwas weniger als drei Stunden. Schöne Strecke durch den Thüringer Wald. Mit Tunnel!
Von Rostock oder Stralsund nach Elsterwerda
Regionalexpress von Rostock oder Stralsund (liegt beides an der Ostsee) nach Elsterwerda (das liegt im Süden von Brandenburg), und natürlich auch in die Gegenrichtung. 400 Kilometer in fünf Stunden. Die Züge verkehren abwechselnd nach Rostock oder Stralsund.
Von Cottbus nach Wismar
Regionalbahn von Cottbus (das liegt in Brandenburg) zur Hansestadt Wismar (das liegt in Mecklenburg-Vorpommern) und natürlich auch in die Gegenrichtung: 365 Kilometer in viereinhalb Stunden.
Von München nach Hof
Regionalexpress von München nach Hof (das liegt gerade noch in Bayern) und natürlich auch in die Gegenrichtung, also von der Hauptstadt Bayerns in den äußersten Winkel Frankens: 315 Kilometer in dreieinhalb Stunden. Tipp: In Hof gibt es einen Fernwehpark, da kannst du dein nächstes Reisziel bestimmen.
Falkenberg nach Stralsund
Regionalexpress von Falkenberg/Elster (das liegt in Brandenburg) über Berlin nach Stralsund (das liegt an der Ostsee, wie bereits erwähnt), und natürlich auch in die Gegenrichtung. 360 Kilometer in fünf Stunden.
Reisetipps
Ich hab noch ein paar Reisetipps – aus meinen Erfahrungen meiner Zeit mit dem Neun-Euro-Ticket. In abgeschwächer Form sind die bestimmt auch für das 49-Euro-Ticket zu gebrauchen:
Futter für die Reise
Nimm ordentlich Futter mit! Es kann sein, dass du unterwegs hängen bleibst, zum Beispiel beim Umsteigen. Wenn der Proviant zur Neige geht, macht das Reisen keinen Spaß. Tipp: Verlasse dich nicht auf Snackautomaten, die gibt es nicht an jedem Haltepunkt! Oder sie sind kaputt und schlucken nur dein Geld.
Nicht ohne Powerbank
Netzgerät dabei? Okay, aber nimm auch eine Powerbank mit! Wenn der Akku zur Neige geht, macht das Bahnfahren keinen Spaß. Und Steckdosen gibt es nicht in allen Zügen. Du willst ja keinen Ärger mit dem Fahrkarten-Kontrolleur haben. Und außerdem brauchst du das Handy zum Fotografieren. Damit du später noch weißt, wie schön es war.
Tipp zur Stromversorgung: Wo eine Oberleitung ist, hat der Zug zumeist Steckdosen, bei Dieselzügen sieht es mau aus.
Verteidigung gegen Mitreisende
Nimm Kopfhörer mit. Falls andere Fahrgäste nerven, klinkst du dich aus. Aber Vorsicht: Runter damit vor dem Umsteigen. Da heißt es, die Ohren zu spitzen. Sonst verpasst du Durchsagen zu Verspätungen, Anschlusszügen und Zugausfällen. Tipp: Auch auf den Bahnhöfen immer auf Lautsprecherdurchsagen und Anzeigetafeln achten.
Hygiene
Sanifair rockt! Gehe lieber auf eine Sanifair-Toilette am Bahnhof als auf eine RB-Toilette im überfülltem Zug. Kostet zwar Geld, ist aber viel entspannter. Und du verlierst dann nicht im Zug deinen Sitzplatz, wenn du ihn zum Toilettengang verlassen hast.
Mit dem Bus in die Pampa
Busse sind auch noch da. An S-, U- und Straßenbahnen denken die meisten beim Klimaticket, aber Busse werden vergessen. Was für Busse spricht: Damit kommst du weiter „ins Landesinnere“ und zu Sehenswürdigkeiten. Aber nicht immer problemlos zurück. 😉 Erkundige dich nach den genauen Zeiten für die Rückfahrt und dem genauen Ort der Haltestelle. Und nimm ein paar Notgroschen für ein Taxi mit, falls das mit der Rückfahrt doch nicht geklappt hat.
Fahrrad im Regionalzug
Fahrradmitnahme? Am besten mit Faltrad oder Klapprad, denn die gelten zusammengelegt als Gepäck. Mit einem „richtigem Rad“ musst du dich vorher über die Bedingungen informieren. In manchen Regionen ist es immer kostenlos, in anderen nur zu bestimmten Zeiten. Nicht so lustig ist die Fahrradmitnahme in überfüllten Zügen. Tipp: Nutze Randzeiten. Oder nimm dir ein Leihrad. In Städten kannst du Nextbike oder Call a Bike stundenweise nutzen, an Touristenorten gibt es lokale Verleiher.
Zu Randzeiten sind die Züge leerer
Ja, Randzeiten nutzen: Lärchen stehen früh auf und starten mit dem ersten Zug am Morgen, Nachtigallen machen durch und nehmen auch den ersten Zug am Morgen. Oder den letzten am Abend. Oder beide. Am Vollsten sind die Züge am Morgen zwischen 7 und 9 und am Nachmittag zwischen 16 und 18 Uhr. Stärkster Reisetag ist der Freitag, weil da Berufsverkehr und Wochenendverkehr aufeinander treffen.
Was gegen Langeweile hilft
Tipp gegen Langeweile: Buch mitnehmen. So ein Schmöker funktionert auch, wenn WLAN-Verbindung und LTE in der Pampa den Geist aufgegeben haben. Und das Staunen der Mitreisenden hast du auf deiner Seite. Ein Buch? Ein Buch, ja das gibt es noch!
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Grundsätzlich halte ich das 49-Euro-Ticket für eine gute Sache. Also die Idee, die dahinter steckt. Und den Preis halte ich durchaus für angemessen im Vergleich zu den bisherigen Zeit- und Streckenkarten. Selbst 59 oder 69 Euro sind für den Umfang der Gültigkeit preiswert und akzeptabel, wenn man im Vergleich sieht, dass z.B. ein Monatsticket für Berlin derzeit knapp 90 EUR kostet.
Das Problem sehe ich in vielen anderen Dingen. Zum einen ist der ÖPNV in seinen Kapazitäten derzeit darauf gar nicht ausgelegt. Hier ist nicht nur in der Frage der Taktung, sondern auch in der Frage der Bereitstellung ordentlicher Nachholbedarf erforderlich.
Zum anderen ist es eine Zeitfrage. Der ÖPNV ist nur dann attraktiv, wenn man damit mindestens gleich schnell oder besser schneller, als mit dem Auto ist und das ist fast nie der Fall, jedenfalls nicht in Berlin. Ich habe das mal für meinen Arbeitsweg ausgerechnet: Mit dem ÖPNV von Haustür zur Bürotür und zurück bräuchte ich 14 Kalendertage mehr Fahrzeit pro Jahr als mit dem Auto und ich muss einmal durch die ganze Stadt vom äußersten Süden in den äußersten Norden. Da habe ich aber Wochenenden, Feiertage, 6 Wochen Urlaub und eine Woche krank schon rausgerechnet. Praktisch bedeutet das, dass ich morgens z.B. eine knappe Stunde länger schlafen kann und zum Feierabend eine gute halbe Stunde eher zuhause bin. Hinzukommt die bessere „Reisequalität“, die man im Auto hat. Keiner sitzt einem halb auf dem Schoß, keiner rotzt einen voll, niemand pöbelt oder stinkt einen voll. Und: Mit guter Ortskenntnis kann man Staus umfahren, während Bus und Bahn an ihre Linien gebunden sind und täglich bei U- und S-Bahn eh ständig Störungen an der Tagesordnung sind. Und das ist das Problem, weshalb wohl kaum Autofahrende auf den ÖPNV umsteigen werden. Beim 9-Euro-Ticket haben es ein paar meiner Kollegen versucht, zum Schluss haben sie den höheren Spritpreis in Kauf genommen, weil beim ÖPNV nix funktioniert hat.
Selbst bei Fernfahrten ist das Auto attraktiver, jedenfalls für mich. Das fängt schon mit der Gepäckschlepperei an und geht weiter mit einer Stunde Fahrtzeit zu einem Fernbahnhof. Gerade Richtung Süden bin ich alleine in dieser Stunde mit dem Auto schon fast in Sachsenanhalt. Hinzukommt der erhebliche Vorteil der Flexibilität. Vor paar Wochen wollte ich mit kleinem Gepäck mit Flixtrain nach Düsseldorf. Vier Stunden vorher wurde per Email der Zug gecancelt. Also doch wieder Auto, weil mit DB hätte mich das Ticket so kurzfristig schlappe 200 EUR pro Richtung gekostet. Im August musste ich in Halle einen Firmenwagen abholen. Demzufolge musste ich mit der Bahn dorthin. 100% Stress, 100% voll und 30 Minuten mehr Zeitaufwand im Vergleich zur Autofahrt dorthin.
Und das ist unser tatsächliches Problem. Innovative, schnelle Fortbewegungsformen haben wir ad acta gelegt, bestenfalls nach China verkauft, wie den Transrapid. Ja, auch der ICE ist recht schnell – aber man muss eben auch erst einmal zu den Bahnhöfen kommen. Nehmen wir die Strecke Berlin-München mit 600 km, so brauche ich mit dem ICE 4,5 Stunden zzgl. Fahrzeiten zum Bahnhof und in München vom Bahnhof weg. Da sind wir in der Summe mit Umsteige- und Wartezeiten bei rund 7 Stunden. Hinzukommt der Stressfaktor mit Gepäckschleppen etc.. Mit dem Auto benötigt man über die A9 im Schnitt 5 bis 6 Stunden, wenn man nicht rast wie eine gesengte Sau und da ist meist eine gute Pause mit dabei. Das Gepäck ist im Kofferraum und fährt von Tür zu Tür.
Ich nutze gerne den ÖPNV in fremden Städten, wo man sich nicht so gut oder gar nicht auskennt. Als ich 2018 in Amsterdam war, bin ich dort nur ÖPNV gefahren und in der Innenstadt bin ich gelaufen, aber die Innenstadt ist ja auch nicht wirklich groß, was auch die ständigen „Vorbildhinweise“ für Berlin in Sachen autoreduzierte/-freie Innenstadt unnütz macht. Die Innenstadt von Amsterdam passt in den Bereich innerhalb des Berliner S-Bahnrangs drei bis viermal rein. Amsterdam und Berlin kann man nicht vergleichen, denn gegen Berlin ist Amsterdam ein Provinznest.
Wir Deutschen leiden unter einem ausgeprägten Aktionismus. Gestern bin ich an einem über 2 Meter breiten Radweg vorbeigekommen, Dort wurde eine Fahrspur zum Radweg auserkoren und zudem teuer verpollert. Ich stand eine Weile (rund 10 Minuten) im Stau, weil ein Fahrzeug der Stadtreinigung die Fahrbahn vom Laub befreite. In diesen 10 Minuten hat nicht ein einziger Radfahrer diesen Radweg genutzt. Warum also an dieser Stelle ein verpollerter Radweg? In der Königallee in Wannsee wurde für richtig viel Geld der vorher gemeinsam genutzte Fuß-/Radweg getrennt und der Radweg auf die Fahrbahn gelegt. Warum? Fußgänger gibt es dort nicht. Wenn dort 10 Fußgänger in 24 Stunden langlaufen ist das viel. Und selbst Radfahrende findet man dort vergleichsweise sehr wenig, denn selbst die radeln lieber durch den daneben liegenden Wald. Da wird Geld rausgeschmissen für sinnlosen Aktionismus. Ja, Berlin hat jetzt auf dem Papier einen (zudem jetzt noch unsichereren) Radweg mehr. Es muss mehr richtige Konzepte geben, statt Aktionismus und plumpe Forderungen nach Tempo 30 etc. – in Berlin sind 85 Prozent aller Straßen bereits mit T30 belegt, in der Regel T30-Zone. Mein besonderer Liebling ist T30 wegen Luftreinhaltung, was absolut schwachsinnig ist, denn mit T30 stößt man mehr Dreck aus und verbraucht mehr Sprit, weil man nur im niedrigen Gang fahren kann. Und was lernt man schon im Öko-Teil in der Fahrschule? Je niedriger der Gang, umso mehr Verbrauch, je höher der Verbrauch, je höher auch die Emission. Ich kann meinen Focus erst bei 35km/h in den 3. Gang schalten, sonst stottert er und säuft ab. Halte ich mich also an die Geschwindigkeit, kann ich nur im 2. Gang fahren, also laut und dreckig. Die dreckigste Straße Berlins (Silbersteinstraße) ist seit fast 30 Jahren T30 und nützt es was? NEIN.
Und warum ist das so? Weil man den Faktor Zeit außen vor lässt. Der Unterschied im Emissionsausstoß bei T30 und T50 ist nicht groß, dafür saut ein Auto allerdings ein Drittel länger bei T30 herum, was dazu führt, dass die Belastung sogar höher ist – mal abgesehen davon, dass bei T30 im 2. der Spritverbrauch höher ist, als bei t50 im 4. Gang.
Unter dem Strich: In Deutschland gibt es keine vernünftigen und vor allem an die jeweiligen Begebenheiten angepassten Verkehrskonzepte, sondern nur Aktionismus gepaart mit der je nach Regierung geprägten Klientelpolitik. In Bayern ist es eine ausgeprägte bis sinnbefreite Pro-Auto-Politik und in Berlin ist es das ganze Gegenteil. Autofahrende reglementieren, nötigen, abzocken und einschränken ohne jeden Sinn.
Deswegen wird auch das 49-Euro-Ticket als Projekt scheitern, weil es eben nicht mit dem nötigen Background unterfüttert ist und auch auf lange Zeit nicht unterfüttert sein wird. In Gegenden, wo kein/kaum ÖPNV stattfindet, nützt auch das Ticket nix, insbesondere im ländlichen Bereich. Im Vergleich zum Auto bietet der ÖPNV (wie auch der ÖPFV) derzeit kaum eine Alternative und da muss sich aus meiner Sicht deutlich mehr tun, wenn man die Leute aus dem Auto bekommen will.
Hallo Christian,
erstmal vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag.
Wo ich dir zustimme: Das 49-Euro-Ticket ist eine finanzielle Entlastung, die im Gegensatz zum 9-Euro-Ticket auch Geld in das ÖPNV-System spült. Aber natürlich müssen dann auch die Angebote ausgeweitet werden – in Stadt und Land, beziehungsweise die bestehenden Angebote erstmal eingehalten. Nicht wenige Züge fallen ja aus oder haben extrem lange Verzögerungen.
Bei den Pollern stimme ich dir nicht zu. Was nicht gepollert ist, wird zugeparkt oder befahren. Und wenn nicht abgeschleppt wird, sind Poller halt eine Lösung. Beispiel Berlin: Die BVG hat ein Dutzend Abschleppautos und schafft es nicht mal ansatzweise, die Haltestellen und Busspuren freizuhalten.
Du erwähnst die Preise für die Poller. Das ist auch so ein Ding. Fahrrad-Infrastruktur ist deswegen teuer, weil Palisaden gegen den Autoverkehr die Preise nach oben treiben.
Was ist die Lösung?
Mal ins Ausland sehen: Utrecht, Groningen, Strassbourg, Paris, Oslo.. und die Ansätze von da übernehmen, zum Beispiel autofreien Schulstraßen.
Du schreibst, dass man Amsterdam nicht mit Berlin vergleichen kann. Okay aber Paris ist eine andere Nummer und da funktioniert die Verkehrswende ganz gut. Die Metro Paris und das Berliner Nahverkehrssystem sind ähnlich gut ausgebaut. Und die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo wurde für ihr gutes Verkehrskonzept wiedergewählt. Die Rue de Rivoli und die Seineufer sind nicht wiederzuerkennen. Ein Erfolgsmodell.
Tempo 30 finde ich gut zur Unfallverhütung, in Brüssel, Oslo und Helsinki hat Tempo 30 zur Reduzierung der Zusammenstöße und der schweren Verletzungen beigetragen. Das ist für mich der Hauptgrund für Tempolimits und deswegen bin ich für Tempolimits 30/80/120.
Tempo 30 wegen Lärm funktioniert ja sowieso nicht, weil dann Leute mit Lärmmodulen und Knallauspuff durchfahren.
Ob Tempo 30 zu einem höheren Schadstoffausstoß führt? Ich weiß es nicht, aber wenn dem so wäre: Wenn sich das durchsetzt, dann werden die Autobauer auch ihre Motoren entsprechend konstruieren.
Was aber auch nicht zu vernachlässigen ist: Am Abend und in der Nacht, wenn die illegalen Autorennen stattfinden, hat Tempo 30 möglicherweise eine leicht abschreckende Wirkung.
Viele Grüße,
Bernd Schmitt