Alles ist vergänglich, auch der geliebte Parkplatz – vor der eigenen Haustüre und vor dem Fitnessstudio. Während der dunklen Jahreszeit spüren die Autofahrerinnen und Autofahrer die Unsicherheit des Daseins besonders intensiv.
Die Parkplatzbeweiner
Beim Anblick der finsteren Straßenränder, an denen kein Blech mehr ein Zuhause hat, vergießen sie ihre bitteren Tränen. Wo Parkplätze vernichtet wurden, wo nichts mehr ist, wie es war, da sind sie jetzt in Trauer vereint: Die Parkplatzbeweiner. Und Parkplatzbeweinerinnen.
Das Hamburger Parkplatz-Massaker
Besonders bitter vom Schicksal heimgesucht ist Hamburg. Was ist dort nur geschehen, was hat die stolze Stadt an der Elbe, die einst der Sturmflut trotzte, so ruiniert? Florian Quandt von der Morgenpost hat ein apokalyptisches Parkplatzmassaker am eigenen Leib erfahren:
Viele Parkplätze fallen weg, Bäume werden gefällt, eine Busspur und ein Radweg entstehen – dabei wäre auf beiden Seiten genug Platz, um die bestehenden Rad- und Fußwege besser zu nutzen, ohne ein Parkplatz-Massaker anzurichten
Hamburger Morgenpost
Parkplatz-Mambo in Endlosschleife
Die Parkplätze wurden massakriert, und damit auch die Bäume. Jetzt sind da nur noch Busspuren und Radwege. Es ist alles ganz fürchterlich. In der Waitzstraße finden die reiferen Autofahrerinnen und Autofahrer noch ein paar Parkplätze – zu beiden Seiten der Schaufenster – aber im übrigen Hamburg irren die Menschen wie Zombies umher. Sie beißen in ihre Lenkräder und viele umkreisen immer wieder und wieder ihre verlorene Autoheimstätte, bis zum letzten Tropfen Diesel. Den Soundtrack zur verzweifelten Suche liefert das Autoradio, wo Herbert Grönemeyers Parkplatz-Mambo in einer Endlos-Schleife dröhnt.
Ich drehe schon seit Stunden, hier so meine Runden
Herbert Grönemeyer: Parkplatz-Mambo
Erst stirbt der Parkplatz – dann der Mensch
Die gequälten Autofahrer flehen ein letztes, vergebliches Mal um den Parkplatz-Segen des Heiligen Christophorus, bevor sie entkräftet zusammenbrechen. Die Wirtschaft der Hansestadt liegt darnieder, die meisten Wohnungen sind aufgegeben. Die Parkplatz-Vernichtung hat die Suizidquote dramatisch ansteigen lassen.
Erst stirbt der Parkplatz – dann der Mensch.
Parkplatzbeweiner und Parkplatzbeweinerinnen sind besonders sensible Menschen. Mit dem Parkplatz haben sie auch den Platz in ihrem Leben verloren. Gehen Sie deshalb behutsam mit ihnen um. Psychologen raten:
Bieten Sie sich zum Gespräch an, am besten sitzend in einem SUV auf einem Großparkplatz am Stadtrand, wo die Welt noch in Ordnung ist. Legen sie den Kopf des Parkplatzbeweiners in den Seitenairbag, dort fühlt sich der Beweiner geborgen wie ein Kind im Schoße seiner Mutter. Rufen Sie in Notfällen einen zertifizierten Seelsorger des ADAC.
Wenn ich solche Beiträge finde, weiß ich, warum ich auf Twitter bin! Danke, jetzt verstehe ich endlich, warum hier (ich wohne etwas „außerhalb“) so viele SUVs mit traurig aussehenden Gestalten drin rumstehen!
Schönen Feiertag!
Hallo Regenfrau,
ohne die Twitter-Fahrradblase wäre ich auch schon wahnsinnig geworden. Vielleicht klappt es ja zu einem Twitter-Meetup bei der Berliner ADFC-Sternfahrt 2019… bin aber auch für andere Orte und Termine offen.
Grüße,
Bernd
Erst stirbt der Parkplatz – dann die Wirtschaftskraft:
In Lüneburg verzögerte sich die Freigabe eines Abschnitts einer Einbahnstraße für Radfahrer im Gegenverkehr um ein Jahr. Ein wesentlicher Grund dafür waren die Klagen der örtlichen Wirtschaftsvertreter, dass dann dort zwei (!!!) Parkplätze am Straßenrand wegfallen würden. Der Anfang vom Ende für das „Kaufhaus Lüneburg“.
Tja, hier in Würzburg dasselbe. Der Einzelhandel beklagt das Wegfallen von Autoparkplätzen und legt sogar Unterschriften aus. Dass auf zwei Autoparkplätze auch 24 Radfahrer parken können, darauf kommen die aber nicht. Ich frage mich auch immer, was die riesigen Parkflächen vor den Supermärkten kosten. Jeder Fahrradkunde ist doch für Händler ein kostensenkender Faktor.
In München wird sogar der Wegfall von Parkplätzen beklagt, wo schon vorher gar keine waren. Der Schlüsseldienst Kilian in der Fraunhoferstraße kann angeblich nicht mehr mit der teils recht schweren Ware (Tresore) beliefert werden, seit es dort einen Radstreifen auf der Fahrbahn gibt. Dabei galt vor seinem Laden auch vorher schon absolutes Halteverbot per Zeichen 283-10, nur konnte man dagegen noch nach Lust und Laune verstoßen ohne viel Gegenwehr. Man biegt und dreht sich die Welt zulasten anderer so zurecht, sodass sie einem in den Kram passt.
Wir wandeln einfach Eure Scheiß-Radwege in Parkplätze um und verbannen Eure grässlichen Gefährte aus der Stadt. Der Verkehr wird auch endlich sicherer, wenn Ihr weg seid.
Na, heute ist nicht so Ihr Tag. Kann mal sein. Aber wenn der Zustand anhält, sollten Sie sich professionelle Hilfe holen.