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Mehr Liegeräder bitte!

Liegerad
Welche Vorteile hat das Liegerad?

Liegeräder & ihre Fahrer gelten als Exoten. „Aber das muss ja nicht so bleiben“, meint der Liegeradhändler, den ich auf der Mainfranken-Messe gesprochen habe. Die Radkolumne hat sich hingelegt und informiert.

Jetzt hab ich endlich mal ein Liegerad ausprobiert und bin auch ein bisschen in die Szene eingetaucht. Mein erster Eindruck: Die Fahrer sind Überzeugungstäter. Sie kennen sich gut mit der Technik aus und sie wissen genau, warum so ein Fahrrad fahren. Die Hauptgründe für’s Liegerad:

  • 20-25 % weniger Kraftaufwand bzw.
  • 20-25 % höhere Geschwindigkeit.
  • Keine Druckstellen am Po und drumherum.
  • Das besondere Fahrgefühl.

Liegeradfahrer überholen gerne Rennräder. Möglich wird das durch den geringeren Luftwiderstand. Das ist nicht schwer nachzuvollziehen. Ein Liegerad ist bietet dem Wind durch seine Konstruktuion einen geringere Angriffsfläche. Verbessern lässt sich der Luftwiderstand-Wert noch durch Verkleidungen. Diese schützen auch gegen Regen, machen das Rad allerdings ein bisschen schwerer. Womit Händler immer wieder konfrontiert werden, ist die Frage nach der Sicherheit. Gut zu wissen: Liegeräder sind keine unsicheren Räder.

Liegerad-Sicherheit

  • Bei Stürzen ist das Verletzungsrisiko geringer, weil der Fahrer nicht über den Lenker fliegt.
  • Die Beine sind vorne. Beinverletzungen sind weniger dramatisch als Kopfverletzungen.
  • Kurze Bremswege dank tiefem Schwerpunkt.
  • Das Liegerad erzeugt, wie das Velomobil, eine Showeffekt. Autofahrer sind neugierig statt aggressiv.

Liegerad-Typen

Liegeräder gibt es in verschiedenen Variationen, mit zwei, drei oder auch vier Rädern. Auf der Messe waren hauptsächlich Modelle mit drei Rädern ausgestelllt, also Trikes. Unterschiedlich sind auch die Antriebsarten. Der Kettwiesel (Hersteller Hasebikes) auf dem Bild fährt mit Muskelkraft, der Scorpion (Hersteller HP Velotechnik) mit Elektro-Unterstützung. Der E-Antrieb ist aber nicht zwingend. Sowohl bei Hasebikes wie bei HP Velotechnik sind die Liegeräder auf Wunsch mit oder ohne Motor erhältlich (Danke an Morgenfrost192 für den Hinweis).

Das Liegerad in der Reha

Der Scorpion ist auch bei Senioren und Reha-Patienten beliebt. Das Modell kann mit diversen Hilfsmitteln aufgerüstet werden, z.B. speziellen Pedalen, Lenkern oder Armstützen. Nach einem Arbeitsunfall ist es möglich, dass ein Liegerad von der Berufsgenossenschaft bezahlt wird. Das Ziele: Der Patient soll mobil bleiben und sich wieder körperlich betätigen. Wer sich für dieses Thema interessiert, findet auf der Seite Radfahrlust Gleichgesinnte. Schwerpunt der Seite ist das Radfahren trotz Handicap (MS).

Das Liegerad für alle

Wer kauft ein Liegerad oder ein Velomobil? Noch sind es vor allem Ingenieure, Architekten oder Fahrradfreaks. Aber das muss ja nicht so bleiben. Werfen wir mal einen Blick in die Glaskugel. Mit der Verkehrswende entstehen neue Radschnellwege von der Vorstadt in die City. Pendler werden das Liegerad zu schätzen wissen. Also liebe Leute. Kämpfen wir dafür, dass der Bau geeigneter Rad-Infrastruktur für alle endlich voran geht. Setzen wir die Fahrradautobahn um!

Für diesen Beitrag bin ich einfach so beim Händler aufgekreuzt … obwohl viel Andrang war, hat er sich für mich Zeit genommen. Vielen Dank an Speedfun für die Geduld!

12 Gedanken zu „Mehr Liegeräder bitte!

  1. moin radkomnenBernd, Danke für diesen Artikel! Ein Liegerad fehlt tatsächlich noch in meiner Sammlung und das Kettweazle wäre die erste Wahl (man wird ja nicht jünger). Habe es auch schon mal ausprobiert und bin von der Effizienz und Wendigkeit sehr begeistert. Natürlich wäre ich mit einer Fahne unterwegs, damit die Autofahrer (v.a. die hohen SUVs) nicht die „Übersehen-Ausrede“ haben. Und es wäre mit Rohloff ohne Motor ausgestattet (wg. Nachhaltigkeit). Schau mer mal, wann ich das nötige Kleingeld habe und den Stellplatz (wobei, die Dinger lassen sich auch aufrecht hinstellen…)
    Gruß vom Bernd

    1. Manche Liegeräder lassen sich auch knicken, zum Beispiel der Scorpion … der hat ein Gelenk drin.. High Visiblity hat mir der Händler auch eingetrichtert. Naja, man weiß ja, dass Autofahrer auch schon mal einen Bus oder eine Straßenbahn übersehen. Aber die Fahne muss natürlich hin. M.E sind die Dinger eher für Radwege und Landstraßen geeignet als für den hektischen Stadtverkehr.
      Grüße von Würzburg nach Kassel 🙂

      1. Ich habe mit dem Scorpion die Erfahrung gemacht, dass man auch im Stadtverkehr eher registriert wird, als ein gewöhnliches Fahrrad – gewöhnliche Fahrräder werden mit Klischeestempel nach Geschwindigkeit und erwartetem Verhalten einsortiert, beim Leigetrike wird, weil unerwartet, das Hirn bemüht, das tatsächliche Verhalten dieses „Dingens“ zu bewerten und dann wird auch bemerkt, wie schnell Du wirklich bist.

        Allerdings ist der Skorpion, erst recht motorisiert, kein billiges Vergnügen. Mit Pinion vorne und Neodrives Heckmotor geht zwar die Post ab, aber es bedeutet inzwischen keinerlei Mühe das Rad in den fünfstelligen Bereich zu konfigurieren, die Zubehörliste (auch Dinge, die man IMHO unbedingt braucht) ist so lang wie bei BMW.

  2. Moin moin,
    Auf ebener Strecke ist das Liegerad wirklich top. Wichtig ist zu beachten, dass mit unter andere Muskelgruppen beansprucht wird und dass bei Steigungen Radfahrer im Vorteil sind, sie können ihr Gewicht nutzen.
    Ansich ist es sehr sehr angenehm und macht sehr viel Spaß Liegerad zu fahren.

    1. Hallo Stefan,
      ja stimmt, am Berg: der „normale“ Radler steigt in die Eisen, das geht mit dem Liegerad nicht. Außerdem ist der Vorteil des geringen Luftwiderstands bei sehr geringen Geschwindigkeiten unerheblich. Bergab macht das Liegerad deutlich mehr Spaß. Hat der Händler gestern auch so gesagt. Kleinere Anstiege gehen aber schon, bei größeren Steigungen ist die Elektro-Unterstützung ratsam.
      Grüße,
      Bernd

    2. Beim Liege-Trike kannst Du dich mit dem Rücken gegen den Sitz abstützen, da kannst Du treten wie auf der Beinpresse – gerade leichte, sportliche Fahrer können da weit mehr als nur ihr Körpergewicht als Pedaldruck erreichen. Und bei Steigungen fällst du nicht um, wenn Du zu langsam wirst. Im kleinsten Gang kann das zwar bei 14% über 500m eine elendige Kurbelei werden, aber Du kannst Steigungen hochfahren, wo der Zweiradler schon längst schiebt.

  3. Hallo Bernd,

    ich fahre seit 2010 Liegerad. Angefangen habe ich auf drei Rädern, habe mein Heil dann aber auf zwei Rädern mit dem HP Velotechnik Grasshopper fx vollgefedert gefunden. Die Zuneigung hielt knapp ein Jahr, dann hat sich mit dem Optima Baron ein tiefes, schnelles ungefedertes Zweirad gefunden, dass für mich der Inbegriff eines schnellen Liegerads ist. Ich kann nicht langsam…

    Ich fahre mein Liegerad sowohl in der Stadt als auch auf auf der (Lang-) Strecke. Eine schlechtere Übersicht als auf dem Aufrecht-Rad kann ich nicht bestätigen. Die Übersicht ist eine andere. Auf dem Aufrechtrad schaue ich bei sportlicher Sitzposition und geradem Hals direkt vor das Vorderrad. Bei der zurückgegelehnten Sitzposition genieße ich den Panorama-Blick, was es auch einfacher macht, dem komplexen Verkehrsgeschehen um mich herum in der Stadt zu folgen. Mit einer gewissen Erfahrung und Umsicht ist es gefühlt kein Nachteil, wenn man nicht über die Dächer parkender Fahrzeuge blicken kann.

    Du bist ein Gekko 26 gefahren. Das Gekko ist ein Trike der Einsteigerklasse ohne Federung, nicht faltbar und einem festen Sitz. Eine Klasse höher befinden sich die Scorpion Trikes in vier unterschiedlichen Rahmenformen, heckgefedert, mit dem fs vollgefedert, mit austauschbaren Sitzen und faltbar. Der E-Antrieb ist kein alleiniges Merkmal der Scorpione. Man bekommt alle Räder von HP Velotechnik mit oder ohne Motor. In deinem Post klag es so, als sei der E-Antrieb den Scorpionen vorbehalten, was nicht so ist.

    Auf dem Liegerad hast du eine bessere bis wesentlich bessere Aerodynamik, abhängig von der Art des Liegerades. Natürlich wirst du mit einem Dreirad nicht automatisch schneller sein als ein Straßenrennrad, dafür genießt du die Vorteile der entspannten Sitzposition und der deutlich geringeren Belastung von Gesäß, Handgelenken, Nacken und Füßen besonders auf langen Touren. Ein Motor hilft optional beim Anfahren oder am Berg, körperlich gesunde Menschen, die nicht gerade in den Bergen unterwegs sind, brauchen nicht auomatisch einen Motor. Hier können sich die Beine sehr schnell an die andere Art der Bewegung gewöhnen, es tritt natürlich ein Trainingseffekt ein.

    Ich möchte gerne eine Lanze für die einspurigen Liegeräder brechen. Sie sind im Vergleich zum Trike natürlich instabil, sie zu fahren bedarf es ein klein wenig Übung. Allerdings sind sie leichter, handlicher, ähnlich komfortabel und preisgünstiger. Abhängig von der Rahmenform bzw. dem Verhältnis der Höhe des Tretlagers zur Höhe der Sitzfläche gibt es vom bequemen Reisetrecker bist zum hochgezüchteten Sportfahrzeug für jeden Fahrertypen etwas. Man fällt auch nicht einfach so um, versprochen.

    Wenn man sich für Liegeräder interessiert, findet man mit dem Velomobilforum.de eine erstklassige Plattform rum um Liegeräder aller Art. Hier beteiligen sich „Alte Hasen“, Experten und Neulinge aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz und sind sehr hilfsbereit man allen theoretischen Fragen. Gerade bei den Liegerädern kommt man um eine Probefahrt nicht herum. Erster Ansprechpartner ist natürlich der Fachhändler in der Nähe. Wenn man alles auf einmal „erfahren“ möchte, ist die Spezialradmesse im pfälzischen Germersheim in jedem Jahr am letzten Wochenende im April die beste Gelegenheit, viele Liegeräder auf Europa und Nordamerika zu sehen und zu fahren.

    1. Hallo Morgenfrost,
      vielen Dank für die vielen Informationen und für den Hinweis, dass die Modelle wahlweise mit oder ohne Motor erhältlich sind. Habe den Artikel ausgebessert.
      Grüße,
      Bernd

      1. Ich fahre seit siebeneinhalb Jahren ein Trike und habe mittlerweile etwas mehr als 61.000 Kilometer auf dem Tacho.
        Ich nutze das Rad für alle Fahrten, die ich hier in der Region Minden vorher mit dem Zweirad erledigt habe. Bei trockenem Wetter fahre ich damit bis zu vier Tage die Woche zur Arbeit. Lediglich, wenn es morgens regnet, nehme ich für die mindestens 23,7 Kilometer zur Arbeit das Auto. Auf diesem kürzesten Weg passiere ich das Wiehengebirge, was definitiv machbar ist. Am Berg ist das Liegerad zumindest bergauf langsamer, mit einer gut abgestimmten Schaltung ist das aber machbar. Oft umfahre ich den „Hügel“ aber durch die Porta Westfalica und sammle so Kilometer. Dabei fahre ich sowohl auf dem wunderbar gelegenen Weserradweg als auch durch die Stadt. Das Liegerad, egal ob als Zwei- oder als Dreirad, ist für mich ganz klar ein absolut alltagstaugliches Fahrrad für alle Strecken, egal ob ländlich oder städtisch.
        Und auch wenn ich vor knapp drei Wochen einen Zusammenstoß mit einem Auto hatte, der mir einen Wadenbeinbruch eingebracht hat, werde ich auch weiterhin ohne Fahne fahren, da sie meines Erachtens nichts bringt. Wie leider auch auf dem Zweirad ist vorausschauendes Fahren, das Fehler von Autofahrern und anderen Radfahrern frühzeitig erkennt, der beste Schutz.
        Hinsichtlich des geringeren Luftwiderstands gebe ich zu bedenken, dass daraus gerade bei einem Liegedreirad nicht unbedingt eine höhere Grundgeschwindigkeit resultiert. Denn im System ist mit dem dritten Rad ein weiterer Auflagepunkt vorhanden, der zusätzlich auch Rollwiderstand mit sich bringt. Eine Verkleidung des Rades mag hier helfen, aber ich liebe es, den Wind und das Wetter um mich herum zu spüren, so dass ich hier nur aus eigener Erfahrung mit einrm unverkleideten Rad berichten kann. Auf meinen Wegen von und zur Arbeit fahre ich aber auf 34 Kilometern mit teilweise Stadtverkehr durchaus einen normalen Schnitt von 24 km/h, an sehr guten Tagen auch schon mal 26 km/h.
        Das Liegeradfahren beansprucht in jedem Fall andere Muskeln, oder ander gesagt: In der Phase der Umgewöhnung schmerzen Muskeln, von denen man bisher gar nicht wusste, dass man sie hat. Nach vier bis sechs Wochen gibt sich das aber, je nach der täglich gefahrenen Strecke.
        Ausgiebiges Probefahren verschiedener Modelle ist dringend empfohlen, aber bei der Vielfalt an Produkten sollte sich für jeden das passende Liegeradfahren finden lassen.
        Das hier bereits erwähnte Velomobilforum ist dabei definitiv eine gute Hilfe.

  4. Hallo Volker,
    vielen Dank für die ausführlichen Infos zum Liegerad als Pendlerfahrzeug und im Stadtverkehr. Und alles Gute für die Wade.. hoffentlich hast du wenigstens ein Schmerzensgeld bekommen.
    Grüße,
    Bernd

  5. Hallo,
    habe mir gerade ein Flux S9 mit Rohloffnabe beim Liegeradstudio in Hamburg bestellt und würde gerne mal wissen, ob es noch mehr überzeugte Flux – Fahrer im Norden gibt. Bin bisher ein Norwid Kattegat Treckingrad gefahren, kann aber wegen einer alten Handgelenksverletzung nicht mehr so lange Touren machen, darum bin ich nach langem Suchen auf das Flux gekommen da es mir besser als eine HP- Street-oder Speedmaschine gefällt. Muss nun erstmal ca. 2 Monate auf mein Traumrad warten, daher bin ich über jeden Tipp und Reiseerfahrungen dankbar.
    Velosophische Grüße
    Wilfried

  6. umgestiegen und neue lebensfreude erkämpft

    mtb + rennrad hängen nun leider am haken, nach einem schlaganfall mit rechtsseitigen lähmungen und den balanceverlust war es ein lohnenswertes ziel am leben trotz behinderungen wieder teilzunehmen. nur ein trike-liegerad war die alternative u. ich fand die lösung im scorpion von hp velotechnik. es ist behinderungsgerecht umgebaut u. mein kraftverlust wird durch e-antrieb posiv halbwegs ausgeglichen. es ist schon gewöhnungswürdig nun durch eine fahne die aufmerksamkeit gegenüber anderen verkehrsteilnehmern zu erhöhen aber unbedingt notwendig. meine erfahrungen gegenüber anderen verkehrteilnehmern sind überwiegen positiv, es gibt aber auch ausnahmen, die sehr verärgend sind, es sind leider nicht überall radwege vorhanden u. so bleibt leider nur die straße.
    hinderlich sind leider trotz dem zauberwort inklusion einfach zu eng gesetzte boller bzw. durchfahrtssperren und nicht abgesenkte borde. es müsste da viel mehr getan werden u. es ist beim errichten kein finanzieller mehraufwand sondern nur ein gedanklicher aspekt der notwendigkeit. straßen meide ich nach möglichkeit, ich benutze überwiegend radwege, gute forstwege und wenig frequendierte straßen.
    ja liegeradfahrer sind leider exoten, doch dafür gibt es gründe in verschiedenen bereichen, für meinen teil war es die richtige entscheidung einfach ein gewinn fürs leben trotz aller hindernisse.

    mfg kalle

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