Ich liebe Frankfurt. Was ich immer nach der Ankunft am Hauptbahnhof mache: einen kleinen Rundgang. Dabei habe ich das obige Schild erspäht, das auf ein Hbf-Fahrradparkhaus verweist … und mich für die Radkolumne gleich auf die Suche begeben.
Mission für die Radkolumne: Das Fahrradparkhaus am Frankfurter Hauptbahnhof finden. So schwer dürfte das ja nicht sein, denn der Wegweiser in der Kaiserstraße zeigt 400 Meter an und steht 100 Meter vor dem imposanten Eingangsportal des Bahnhofs. Also gehe ich wieder zurück in Richtung Bahnhof und halte nach dem nächsten Schild ausschau … und wenn da keines mehr kommt, gehe ich in in die Eingangshalle.
Versuch 1: DB Information fragen
Am Bahnhofsvorplatz hab ich kein weiteres Schild gefunden … also rein in den Bahnhof. Ich blicke in der Bahnhofshalle nach rechts und links, sehe aber auch hier keine Parkhaus-Wegweiser. Aber egal, denn es gibt ja den Schalter der DB Information. Die werden es wohl wissen, also frage ich frohen Mutes nach:
„Guten Tag, ich möchte gerne zum Fahrradparkhaus. Können Sie mir bitte den Weg zeigen?“
Die Dame am Schalter kann die Frage leider nicht beantworten. Nun gut … vielleicht ist sie ja neu in Frankfurt und ich bin der Erste, der die Parkhausfrage stellt. Ich bedanke mich für die Mühe und beschließe, mein Glück im Reisezentrum zu versuchen.
Versuch 2: Im Reisezentrum fragen
Am Eingang des DB-Reisezentrums leuchtet mir ein grünes Schild des Rhein-Main-Verkehrsverbunds entgegen: RMV MobilitätsInfo. Welch wohlklingende Worte: Verbund, Mobilität, Info. Da hüft mein Herz, denn die kennen sich ganz bestimmt aus. Ich ziehe die Wartenummer 238, eile nach dem Aufruf zum Schalter und sage mein Sprüchlein zum zweiten Mal auf:
„Guten Tag, ich möchte gerne zum Fahrradparkhaus. Können Sie mir bitte den Weg zeigen?“
Hier löse ich eine Diskussionen unter den Schalter-Bediensteten aus und erhalte diesen Hinweis:
„Am Gleis 24 oder dahinter könnte da was sein … aber ohne Garantie“.
Ein vager Hinweis ist besser als nichts, denke ich. Ich bedanke mich für die Mühe und verlasse das Reisezentrum, um mein Glück am oder irgendwo hinter dem Gleis 24 zu versuchen.
Versuch 3: Am Gleis 24
An Gleis 24 suche ich wie ein Luchs nach Rampen oder Schildern … nach irgendwas, das mir den Weg zum Fahrradparkhaus weist. Doch alles, was ich hier finde, ist eine Packstation von DHL. Ich stelle fest: Fahrräder passen hier nicht rein. Doch ich starre nicht lange auf die gelbe Wand, bis ein Silberstreif am Horizont erscheint:
Ein Mensch mit Fahrrad nähert sich der Packstation. Ich schließe messerscharf: Wer hier Pakete abholt, muss ein Frankfurter aus der näheren Umgebung des Bahnhofs sein. Und wer ein Fahrrad dabei hat, nuss das Parkhaus kennen. Ich sage freudig mein Sprüchlein zum dritten Mal auf:
„Guten Tag, ich möchte gerne zum Fahrradparkhaus. Können Sie mir bitte den Weg zeigen?“
Doch auch der Radfahrer hat noch nie etwas von einem Fahrradparkhaus gehört. Ich werde unsicher. Sollte ich einem Phantom zum Opfer gefallen sein? Sollte die Stadt Frankfurt einem Schild zu einem Parkhaus aufgestellt haben, das es gar nicht gibt? Hat Frankfurt ein Geisterparkhaus? Ich verabschiede mich vom ratlosen Radler und stromere verwegen durch sämtliche Winkel des Frankfurter Hauptbahnhofs. Und wieder darf ich Hoffnung schöpfen. Ich habe nämlich in der B-Ebene einen Bahnhofsplan entdeckt. Ich wage den nächsten Versuch.
Versuch 4: Den Bahnhofsplan befragen
Auf so einem Übersichtsplan ist einfach alles eingezeichnet: Schließfächer, Bahnhofsmission, DB-Lounge … da wird bestimmt auch das Parkhaus drauf zu sein. Ich postiere mich vor dem Plan und sage mein Sprüchlein zum vierten Mal auf:
„Guten Tag lieber Plan, ich möchte gerne zum Fahrradparkhaus. Können Sie mir bitte den Weg zeigen?“
Da der Plan nicht anwortet, trete ich näher heran und spähe nach dem Buchstaben P. P wie Parkhaus, P wir Parkplätze! Die sind auch verzeichnet – aber halt nur für Autos, hinter Gleis 24. Da sind Kurzzeitparkplätze, sowie eine Ein- und Ausfahrt für die Tiefgarage in der Poststraße. Von einem Fahrradparkhaus steht dagegen nix. Ich laufe trotzdem zu den Kurzzeitparkplätzen hin, das Gebiet um Gleis 24 kenne ich ja schon. Doch … oh Schreck, was sehe ich: eine Schilderbatterie mit der Aufschrift „Fahrräder abstellen verboten“. Hier sind Radler unerwünscht. Wenn du kurz parken willst, musst du dir ein Auto leihen. 🙁
Mein froher Mut ist dahin, doch ein Radkolumne-Reporter wirft die Flinte nicht so schnell ins Korn. Es gibt ja noch Google. Und Google weiß alles. Parkhaus oder Geisterparkhaus? Google wird mich nicht im Stich lassen.
Versuch 5: Google fragen
Ich suche mir einen halbwegs ruhigen Platz im Frankfurter Hauptbahnhof, den ich inzwischen sehr gut kenne. Bei den Läden im Umfeld von Gleis 24 erhalte ich Stammkundenrabatt. Die Bahnpolizei grüßt mich, die Bahnhofsmission sorgt sich um mich. Ich zücke mein Handy, starte den Sprachassistenten und sage mein Sprüchlein nun zum fünften Mal auf:
„Okay Google, ich möchte zum Fahrradparkhaus Frankfurt Hauptbahnhof“.
Und tatsächlich, Google lässt mich nicht im Stich und nennt die Mannheimer Straße als Standort. Ich zoome Google Maps heran und stelle fest: Die Mannheimer Straße liegt nicht bei Gleis 24 (Nordausgang), sondern bei Gleis 1 (Südausgang), also genau auf der anderen Seite des Bahnhofs.
Ich nehme den kleinen Durchstich an der Südseite des Bahnhofsgebäudes und empfange sogleich ein gutes Omen. Es kommt mir jemand mit einem Fahrrad entgegen. Mein Herz tanzt. Ich fühle mich wie ein großer Entdecker, der das Ziel einer beschwerlichen Expedition zwar noch nicht sieht, aber seinen Triumph schon erahnt. Ich habe mir die Mühe nicht umsonst gemacht. Ich stehe wie Heinrich Schliemann vor Troja. Mein Körper vibriert. Nur die Corona-Sicherheitsmaßnahmen halten mich davon ab, fremden Menschen vor Glück um den Hals zu fallen.
Ziel ereicht: Fahrradparkhaus
Stolz erhobenen Hauptes schreite ich hinaus in eine Welt, die für mich so neu ist wir Amerika für Kolumbus: die Mannheimer Straße. Am Horizont erkenne zwar zunächst nur ein Haus, in dem sich die Automobile stapeln, aber Google lotst mich unbeirrt dort hin. Das Geheimnis offenbart sich, als ich unmittelbar davor stehe: Ein kleines rotes Schild am Parkhaus verweist mich auf eine spezielle Kelleretage für uns Pedalritter. Gesichert ist die Zufahrt mit einem aufrechten Poller … und einem, der an den schiefen Turm von Pisa erinnert. Ob hier ein militanter Autofahrer die verlorene Kraftfahrzeug-Etage wieder zurückerobern wollte?
Ich schreite die Rampe hinunter. Direkt über dem Eingang erblicke ich, was ich auf meiner Odyssee so schmerzlich vermisst habe: ein ordentliches Schild! Das große Fahrrad gibt mir Orientierung und Gewissheit: Hier bin ich Radler, hier darf ich rein!
Doch bald schon ist meine Freude über die Auffindung dieses geheimnisvollen Ortes wieder getrübt. Die Fahrradetage ist so einladend wie ein Heizungskeller und für die Größe Frankfurts völlig unterdimensioniert. Aber alles hat ja zwei Seiten … vielleicht werden hier ja zum Ausgleich für`s Ambiente ein paar Serviceleistungen rund ums Rad angeboten? Ich hab nämlich links vom Eingang eine Fahrradwerkstatt entdeckt. 🙂
Die Fahrradwerkstatt
Hurra, eine gut ausgestattete Fahrradwerkstatt. Dafür kann ich mich begeistern, so eine Werkstatt gehört zu jedem Parkhaus wie die Kappe aufs Ventil. Das Fahrrad abstellen und dabei gleich die Lichter und die Bremsen reparieren lassen … so muss das sein. Doch allzu lange währt meine Freude nicht, denn am Werkstattfenster ist zu lesen:
Ihr Werkstattteam
Sehr geehrte Kunden. Krankheitsbedingt müssen wir die Werkstatt bis auf weiteres ab Montag, den 28. 10. schließen. Wir sind weiter in der Eschersheimer Landstr. 65 für Sie da.
Die verwaiste Werkstatt
Oh je, die Werkstatt ist seit dem 28. Oktober geschlossen. Und das Schlimmste ist: man weiß nicht, von welchem Jahr der Zettel stammt. Das „krankheitsbedingt“ kann ich auch nicht akzeptieren, weil da Werkstatt-Team steht, und in Fahrradwerkstätten keine besondere Seuchengefahr besteht, nicht einmal in Corona-Zeiten.
Es werden doch nicht alle erkrankt sein? Und selbst wenn: Gibt es denn im Rhein-Main-Gebiet keine verfügbaren Fahrradmonteure?
Jetzt mal Tacheles: Es ist eine Schande für Frankfurt, was hier am Hauptbahnhof geboten wird. Ein schlecht auffindbares Fahrradparkhaus und eine verwaiste Werkstatt, das kann es ja nicht sein? Bitte kümmert euch mal darum, liebe Frankfurterinnen und Frankfurter! Der Fahrradclub ADFC und der Verkehrsclub VCD sind angesprochen. Und das Bahnhofsmanagement. Und die Frankfurter Rathauskoalition, bestehend aus den Grünen, der SPD, der FDP und VOLT. Hallo, ist da jemand?
Schöne neue Konstablerwache
Soweit zum Elend am Hauptbahnhof. Nun soll aber hier auf der Radkolumne nicht nur gemeckert werden. In Frankfurt gibt es auch positive Enwicklung, und zwar an der Konstablerwache. An diesem zentralen Platz, früher war er ein bisschen berüchtigt, gibt es vieles, was das Radlerherz erfreut: Zwei große und nicht zu übersehende Doppelparker, einen Velotaxi-Stand und auf der Kurt-Schumacher-Straße zwei markierte Fahrradstreifen. Jetzt höre ich auch schon Kritik aus der Fahrradszene, weil die Streifen nicht durch Poller abgetrennt sind. Zur Verteidigung muss gesagt werden. Erstens: An einigen Stellen sind zumindest „Leitboys“ angebracht, also Plastikteile. Zweitens: Die Fahrradstreifen waren, soweit ich es überblicken konnte, nicht zugeparkt. Also keine Ideallösung, aber besser als nichts. Mordstreifen sind es jedenfalls nicht.
Fahrradstadt Frankfurt?
Zurück am Bahnhof hab ich dann noch eine Zeitschrift gefunden, in der verschiedene Radtouren durch die City beschrieben sind. Doch wie sieht es in der Realität aus? Radfahren in Frankfurt und Rhein-Main? Geht das, und geht das gut, was das Journal Frankfurt empfiehlt?
Ein bisschen ambitioniert ist das schon, denn Frankfurt ist ebenso wenig eine Fahrradstadt wie Berlin, Hamburg oder München. Es gibt ledigliche vereinzelt Straßen, die halbwegs stressfrei mit dem Rad zu bewerkstelligen sind, das ist alles. Was fehlt, ist der große Wurf. Das wären: Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, eine geschlossener Radring im Zentrum und luxuriöse Radschnellwege als Zufahrten. Wer die größten Steine in den Weg legt, ist das Bundesverkehrsministerium. Es gestattet den Städten nämlich nicht die Einführung von Tempo 30. Diese Bevormundung muss endlich ein Ende haben.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Frankfurter Hauptbahnhof. Auf diversen Infotafeln in der Bahnhofshalle sind diverse Umbaumaßnahmen zu sehen. Was ich auch dort nicht gesehen haben, ist die Planung für ein ordentliches Fahrradparkhaus mit 10.000 PLätze. Das wäre mal eine Marken. Zum Vergleich: Das Fahrradparkhaus im niederländischen Utrecht hat 12.500 Stellplätze.
Okay, in den Niederlanden liegt der Radanteil extrem hoch, aber das war nicht immer so. Die Radinfrastruktur wurde gewollt und gebaut, das Gleiche gilt für die Bahn. Beide Verkehrsmittel ergänzen sich nämlich ganz prima. Das Utrechter Fahrradparkhaus am Bahnhof muss niemand lange suchen. Die Zufahrt zur dreigeschossigen Anklage ist von den beiden Enden aus möglich.
Architektinnen und Architekten ans Werk!
Falls hier Architektinnen und Architekten mitlesen: Bitte schaut euch die besten Fahrradparkhäuser der Welt an und baut das in Deutschland nach. Wir sind hier nämlich ein Fahrrad-Entwicklungsland. Aber das muss ja nicht so bleiben! Und dann kommt nach Frankfurt und ziegt, wie da geht!
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Vielen Dank, das hört der radelnde Schreiberling gerne.. 🙂
PS: Bin gespannt, was aus dem Radstreifen Hauptbahnhof-Messe wird, den die Stadt Frankfurt angekündigt hat.
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