Fahrverbote werden auf unterschiedliche Weise verhängt. Für Autofahrer ist ein Verbot leicht zu erkennen – am Verkehrszeichen mit dem roten Kreis. Subtiler funktionieren Fahrverbote für Radfahrer. Angeordnet werden sie nämlich nicht durch Schilder. Das Problem sind die faktischen Fahrverbote.
Faktische Fahrverbote
In der Regel sind es Eltern und Angehörige, die Fahrverbote verhängen – aus verständlicher Sorge um Leib und Leben ihrer Kinder und Verwandten. Weil die ungeschützten Radfahrer „durch den Verkehr“ müssen, gemeint sind die Autofahrer, heißt es dann:
- Mit dem Fahrrad zur Schule? Fahrverbot!
- Mit dem Fahrrad zum Bäcker? Fahrverbot!
- Mit dem Fahrrad zur Arbeit? Fahrverbot!
Miserable Radwege
Schuld an den faktischen Fahrradverboten ist der miserable Zustand der deutschen Radwege. Das gefahrlose Radfahren, in den Niederlanden seit Jahrzehnten Realität, ist in Frankfurt, Hamburg, München oder Berlin unbekannt. Das heißt: Alle dürfen zwar fahren, aber mit einem hohen Risiko. Doch die Zeiten ändern sich.
Berlin hebt faktische Fahrverbote auf
Das im Juni 2018 mit den Stimmen von Grünen, SPD und Linken verabschiedete Berliner Radgesetz (aus Rücksicht auf Autofahrer Mobilitätsgesetz genannt) verpflichtet den Senat dazu, dem Fahrrad den gebührenden Platz einzuräumen. Geplant sind die Entschärfung von Gefahrenstellen und die Einrichtung von 100 km Radschnellwegen.
Berlin Holzmarktstraße
Flott voran gehen die Arbeiten in der Holzmarktstraße. Hier entsteht Deutschlands erster innerstädtischer Komfort-Radstreifen. Dank einer Breite von 3,50 Metern ist das Nebeneinanderfahren und Überholen gut möglich, und auch die Lastenräder der Kuriere und Handwerker haben hier freie Fahrt.
Auf der schraffierten Fläche werden noch Anti-Auto-Poller montiert. Schon jetzt, während der Bauphase, haben Radlerinnen und Radler die neue Freiheit dankbar angenommen. Ohne Helm und Schutzwesten fahren sie nebeneinander zur Schule, zum Bäcker und zur Arbeit. Das faktische Fahrrad-Fahrverbot in der Berliner Holzmarktstraße ist aufgehoben.
Die Holzmarktstraße wird die erste neue Wohlfühlzone für den nichttötenden Verkehr, doch eine Straße alleine ist für eine flächendeckende Aufhebung der Fahrrad-Fahrverbote zu wenig. Zum Glück gehen die Pläne des Berliner Senats viel weiter.
Ein verkehrspolitisches Großprojekt ist die Frankfurter Allee, die derzeit noch aus je drei Fahrspuren in beide Richtungen besteht. Hier soll zunächst zwischen der Niederbarnimstraße und der Jessnerstraße eine Autospur zum komfortablen, breiten und sicheren Radweg umgebaut werden.
Fazit: Auto-Protzstraßen sind passé – die Epoche der komfortablen Fahrradstraßen hat begonnen.
Deinen Fahrverbotsartikel find ich (mal wieder) total gut!
gruß bernd
Hallo Bernd,
war ein paar Tage in Berlin und bin natürlich auch an der Holzmarktstraße gewesen, dem ersten Radweg, der dem Namen verdient. Gemischte Eindrücke … einerseits der schöne breite Radweg. Andererseits … gleich hinter dem Radweg das alte Bild: Das Ritual des sonntäglichen Autowaschens wird mit Kind und Kegel zelebriert.
Grüße,
auch Bernd
PS: Hab es leider 2018 noch nicht zu euch nach Kassel geschafft, aber das Jahr hat ja noch ein paar Tage..