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Fahrrad schafft Arbeitsplätze

Historischea Foto: Radfahrer vor Geschäft
Die Fahrradbranche schafft Arbeitsplätze.

Arbeitsplätze im Mittelstand? Die gibt es in der Fahrradindustrie. Die Radkolumne präsentiert Teil 1 der Übersicht. Wenn ihr ein Unternehmen vermisst, schreibt es bitte in die Kommentare – die vergessene Firma landet dann in Teil 2 dieser kleinen Serie. 🙂

Rohloff – Nabe der Welt

Wer sichert den Wohlstand der Exportnation Deutschland? Zum Beispiel die Rohloff-Werke, denn dort wird von 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die beste Fahrradnabe der Welt produziert. Die High-Tech-Schmiede vor den Toren Kassels setzt nicht auf Dumpingpreise, sondern auf Qualität. Das heißt konkret: die Nabe kostet einmalig relativ viel, hält dann aber für ein paar Jahrzehnte. Verbaut wird „die Rohloff“ von Herstellern auf der ganzen Welt und in unterschiedlichen Fahrradtypen, auch in Lastenrädern, Liegerädern und Velomobilen.

Fahrradschmiede: Riese & Müller

Lastenrad Riese und Müller
Lastenrad von Riese & Müller.

Das Lastenrad im Bild gehört einem Handwerker, die Transportbox ist selbst gezimmert. Es stammt vom deutschen Hersteller Riese & Müller. Bekannt wurde das Vorzeige-Unternehmen aber zunächst mit einem anderen Produkt: einem Faltrad.

Riese & Müller

Der Name des Fahrradherstellers ist schnell erklärt. Gegründet wurde die Firma von Markus Riese und Heiko Müller, zwei Maschinenbau-Studenten der TU Darmstadt. Für die beiden war das Schrauben und Schweißen an Fahrrädern zunächst ein reines Hobby. Das änderte sich 1992 mit der Entwicklung eines gefederten Faltrads, dem Birdy. Weil Vögel Federn haben, ist damit auch der Name des Rad erklärt. Nun ist ein Prototyp ja schön und gut, aber eine ganz andere Herausforderung ist die Produktion in Serie. Mut schöpften die beiden Zweirad-Pioniere im Jahr 1993, nach dem Gewinn eines Förderpreises des Hessischen Wirtschaftsministeriums. 1994 machten sich die Jungunternehmer dann auf der Eurobike in Friedrichshafen dann auf die Suche nach einem Produzenten und der Coup gelang. 1995 gab es das Faltrad Birdy dann schon in drei Ländern zu kaufen: Deutschland, Japan und den USA.

Vom Faltrad zum Lastentrad

Ermutigt vom Erfolg des Birdy brachten die Beiden ab 1997 zunächst einige „wohl gefederte“ Standardräder auf den Markt: Das Avenue, das Culture und das Delite. Doch dann pochte wieder ihr Erfinderherz und sie widmeten sich der Konstruktion von Spezialräder. Die Ergebnisse: Ein Rad mit Sessel statt Sattel, das Equinox. Und ein Lastenrad mit Kindersitz vor der Fahrer, das Gemini.

Elektrisches Faltrad

Heute produziert Riese & Müller eine breite Palette von Fahrrädern. Dazu zählen Cityräder, Tourenräder, Mountainbikes, E-Bikes und Lastenräder. Und natürlich auch Falträder. Das Faltrad Birdy hat mit dem Tinker ein elektrisch unterstütztes Brüderchen bekommen. Erklärtes Ziel des Unternehmens ist die Weltmarkt-Führerschaft bei Falträdern. Die Anzahl der Arbeitsplätze bei Riese & Müller: 350.

Hersteller: Diamant Fahrradwerke

Diamant-Fahrräder
Fahrräder von Diamant (1913) Bild: Wikipedia. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Wer ist der Methusalem unter den deutschen Fahrradwerken? Die Diamant Fahrradwerke in Hartmannsdorf bei Chemitz. Die produzieren nämlich schon seit 1885! Heute gehört das Traditionsunternehmen zum US-Hersteller Trek. Die Trek Bicycle Corporation tritt auch als Sponsor für den Radsport ein, und auf einem Trek-Rad gewann Lance Armstrong mehrmals die Tour de France. Allerdings wurden ihm die Siege wegen Dopings wieder aberkannt, aber das ist eine andere Geschichte … Die Anzahl der Arbeitsplätze bei Diamant: fast 600.

Hersteller: Winora

Winora-Fahrrad
Weit verbreitet: Fahrräder von Winora.

Eines ist sicher: Wer in einem Mietshaus wohnt, findet im Fahrradkeller oder im Hinterhof auch eine stattliche Anzahl von Winora-Rädern. Gegründet wurde das Traditions-Unternehmen bereits 1914, und zwar vom Radsportler Engelbert Wiener. Dem Standort Schweinfurt, beziehungsweise dem nahe gelegenen Sennfeld, ist der Fahrradbauer bist heute treu geblieben.

2002: Übernahme durch Accell

Geändert hat sich allerdings das Management, denn Winora gehört mittlerweile zum Fahrradkonzern Accell. Ein Abbau von Arbeitsplätzen ist damit aber nicht verbunden. Der niederländische Fahrradriese hat zwar in ganz Europa Reihe von Unternehmen aufgekauft, produziert aber an den jeweiligen Standorten weiter. Ein Schwerpunkt ist dabei Deutschland, wo Accell ungefähr ein Drittel seines Umsatzes erwirtschaftet. Der Gesamtumsatz von Accell leigt bei etwas 1 Milliarde Euro pro Jahr.

Schwerpunkt E-Bikes

Winora hat stark vom E-Bike-Boom profitiert. Bekannt und beliebt ist hier die Premium-Marke Haibike. Unter diesem Label produziert die Winora-Gruppe eine Reihe von Rädern mit elektrischer Unterstützung, aber auch muskelbetriebene Mountainbikes, Trekkingbikes und Rennräder.

Hersteller: Ghost Bikes

Fahrräder aus der Oberpfalz.

Ganz im Osten Bayerns befindet sich die Oberpfalz: Markenzeichen dieser gut katholischen Region sind romantische Wälder, idyllische Täler und zwei große Fahrradfabriken. Eine davon befindet sich in der Klosterstadt Waldsassen, einer Gemeinde mit 7000 Einwohnern. Hier steht nicht nur eine wunderschöne Stiftsbasilika, sondern auch die Fabrik von Ghost Bikes, in der sich 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Arbeitsplatz mit Zukunft freuen. Seit 2008 gehört das Unternehmen zur niederländischen Accell-Gruppe.

Hersteller: Cube

Etwa 90 Minuten braucht man, um zum regionalen Konkurrenten von Ghost Bikes zu radeln, dem Hersteller Cube in Waldersdorf. Hier montieren über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 600.000 Fahrräder im Jahr. Zum Sortiment zählen aber auch Helme, Bekleidung, Schuhe, Rucksäcke und Taschen.

Hersteller: Derby Cycles

Das Cloppenburger Unternehmen Derby Cycles wurde zwar erst 1988 so benannt, die Tradition reicht aber bis 1919 zurück. In diesem Jahr begann nämlich Heinrich Kalkhoff einen Fahrrradteile-Handel. Das Unternehmen wuchs, und 1923 produzierten die Kalkhoff-Werke eigene Rahmen, ab 1927 erstmals komplette Räder. 1988 mussten die Kalkhoff-Werke Insolvenz anmelden und gründeten sich neu – als Derby Cycles. Heute gehört Derby Cycles zum niederländischen Mischkonzern Pon. Anzahl der Arbeitsplätze bei Derby Cycles: knapp 1.000.

Hersteller & Versender: Rose Bikes

Wer auf der Website von Rose Bikes landet, denkt erstmal: Oha, ein Internetladen. Wahrscheinlich ein junges Web-Startup, das schnell gewachsen ist. Stimmt aber nicht, denn der Bocholter Hersteller, Importeur und Direktversender ist bereits 1907 gestartet, als kleines Familienunternehmen. Besonders Markenzeichen von Rose ist der Omnichannel-Vertrieb, also die Mischung von Online und stationärem Handel. Beispiel: Kunden können ihre Körpermaße im Laden vermessen lassen und dann online bestellen. Anzahl der Arbeitsplätze bei Rose Bikes: 450.

Dienstleister: Nextbike

Radfahrer auf Leihrad
Radfahrer auf Leihrad. Bild: Nextbike.

Zu den großen Fahrrad-Dienstleistern zählt das in Leipzig beheimatete Unternehme Nextbike, der europäische Marktführer im Bike Sharing. Im Angebot stehen konventionelle Räder, aber auch Lastenräder (zum Beispiel in Mannheim) und E-Bikes. Mit 450 E-Bikes an 40 Stationen gehört Bilbaobizi, das Leihsystem von Bilbao, zu den Großprojekten der Leipziger im Bereich der E-Bikes. Betrieben wird Bilbaobizi gemeinsam mit dem spanischen Partner Sagalés. Die Radkolumne hat auch mal zu den Zahlen in Deutschland nachgefragt, und zwar für alle Fahrradtypen. Antwort von Nextbike: In Berlin stehen etwa 5.000 Leihräder zur Verfügung, Köln zieht 2021 mit 3.500 Rädern nach. Am Firmenstandort in Leipzig sind es derzeit ungefähr 1.000.
Nextbike verleiht Fahrräder aber auch außerhalb Europas, das Unternehmen ist in über 300 Städten in 28 Ländern aktiv. Am Weltfahrradtag 2018 startete Nextbike in Neu-Delhi. Die Eröffnung hat der indische Vize-Präsident M Venkaiah Naidu persönlich vorgenommen. Made in Germany steht heute für Fahrrad-Logistik.

E-Bike-Nachrüster: Pendix

Die Zeichen der Zeit haben die Gründer von Pendix rechtzeitig erkannt. Das Zwickauer Unternehmen stellt Nachrüstantriebe her, die ein gewöhnliches Fahrrad zum E-Bike verwandeln. Die Gründer waren zuvor in der Automobilindustrie tätig. Der Wechsel in zur Fahrradbranche nahm 2013 mit der Gründung der Pendix GmbH Gestalt an. Im Sommer 2015 war es dann so weit: Der erste Pendix E-Drive kam als Serienprodukt auf den Markt und der Erfolg gab den Gründern Recht. Der Aufrüst-Kit ist heute in einer Vielzahl von Varianten erhältlich und die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist auf über 40 gewachsen, exportiert wird aus Zwickau in über 18 Länder. Die meisten befindne sich in Europa, aber das Vertriebsnetz umfasst auch Kanada und Australien. Die Nachfrage läuft also auch international und übersee. Ein kleiner Blick zurück: Zu Zeiten der VEB Sachsenring Automobilwerke war die Technik aus Zwickau in Nordamerika und Australien weit weniger gefragt als heute. 😉

Der Taschen-Rebell: Ortlieb

Der Heilsbronner Hersteller Ortlieb ist für zwei Dinge bekannt: Für Fahrradtaschen und den Kampf gegen Amazon. Genauer gesagt: Gegen das Geschäftsgebaren des Onlineriesen. Ortlieb möchte von Amazon nämlich nur des Eine: in Ruhe gelassen werden. Aber das ist für einen erfolgreichen Hersteller gar nicht so einfach.

David Ortlieb gegen Goliath Amazon

Ortlieb gegen Amazon – die Story: Ortlieb betreibt wie jeder Hersteller auf dem Markt auch ein eigenes Vertriebsnetz. Dieses Vertriebsnetz umfasst die Händler vor Ort und den eigenen Shop im Internet. Nun bietet ja auch Amazon jedem Händler einen Vertriebskanal an, nämlich den Amazon Marketplace. Aber erstens ist der Vertrieb nicht gerade billig und zweitens will Ortlieb da überhaupt nicht verkaufen. Das Unternehmen hält nämlich große Stücke auf das Ansehen der Marke und vertraut beim Vertrieb der Fahrradtaschen lieber auf die qualifizierte Beratung des Fachhandels.

Ortlieb in der Amazon-Suche


Nun ist es aber gängige Praxis von Amazon (und anderer großen Onlineshops), ihre hauseigenen Suchmaschinen mit fremden Firmennamen zu schalten. Und das auch für Firmen, die gar nicht selbst über den Amazon Marketplace verkaufen. Das Ergebnis sieht dann so aus:
Ein Kunde sucht auf Amazon nach einer Ortlieb-Tasche und gibt „Ortlieb“ in die Suchleiste ein, damit erhält er nicht nur die Ortlieb-Produkte von Zwischenhändlern angezeigt, sondern auch die der Konkurenz.

Klage von Ortlieb

Ortlieb hat deshalb geklagt und zunächst eine Schlappe erlitten. Das Oberlandesgericht München entschied 2019 nämlich, dass Amazon Konkurrenzprodukte anzeigen darf. Das hat Ortlieb ab er nicht auf sich beruhen lassen und eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt. Im Dezember 2020 hat das Karlsruhe das Münchner Urteil wieder aufgehoben. Der Rechtsstreit über die Gestaltung der Amazon-Suchmaschine ist wieder offen. Der Kampf von David gegen Goliath geht weiter.
Anzahl der Arbeitsplätze bei Ortlieb: über 200.

Fahrradindustrie – Teil 2

Die Radkolumne plant noch einen zweiten Teil zur Fahrradindustrie. Wenn ihr ein Unternehmen vermisst, dann schreibt es bitte in die Kommentare.

Deutschland ist nicht nur Standort für die weltweit größte Fahrradmesse, nach Angaben der 16 Milliarden Euro schweren deutschen Fahrradwirtschaft sichert das Fahrrad insgesamt 278.000 Arbeitsplätze – in der Herstellung, der Reparatur, im Service, im Dienstleistungsbereich und im Tourismus.
Auch für Ausbildungsplätze ist gesorgt. Hier geht es zu den freien Stellen für Zweiradmechatroniker/innen.

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12 Gedanken zu „Fahrrad schafft Arbeitsplätze

  1. Tja, Rohloff ist in meinem Pedersen (s
    PhilosophenRad hier weiter oben) verbaut und funktioniert super! Trotz weltweitem Vertrieb sind die Leute dort bodenständig und reagieren auf Fragen zu ihrem Produkt offen und begeistert.
    Letzhin hat mich das Getriebe auf einer Radtour durch die Rhön zuverlässig auch 19% Steigungen rauf- und mit gutem Vortrieb auch bergab begleitet, ohne ‚Kettengerassel‘ !
    LG Bernd

  2. Pedersen plus Rohloff ist natürlich das ultimative Bike…. philosophisch und physikalisch.. so ein Rad ist ein Heiligtum, das nur von eingeweihten Kultisten berührt werden darf..
    LG von Bernd (Würzburg) nach Bernd (Kassel)

  3. Canyon, Gonso, Trelock, Sigma, Continental, Böttcher (!), Velo de Ville, Utopia, SKS, Tout Terrain, SON, tune, Syntace, Schwalbe – Ralf Bohle, Rakete Fahrräder, Patria (!), Stevens Bikes, Centurion, Corratec, Votec, Bergamont, Rixe, SRAM Deutschland

  4. Busch und Müller aka Bumm, HP Velotechnik, Hase

  5. Auweia. Ich überleg und überleg vor dem Abschicken, aber erst danach fällt mir Magura ein.

  6. Spontan fällt mir Pinion ein.

  7. Klein aber fein: http://www.remsdale.com/ (Schorndorf)

    1. Gerade entdeckt, Portus hat echt coole und kompakte Lastenräder….

  8. Wurde Schindelhauer schon genannt? Und der Reifenhersteller Continental?

  9. Sorry erst jetzt gesehen, Continental wurde schon genannt.

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