Opel ist heute fast nur als Automarke bekannt. Dabei war das Unternehmen einst Weltmarktführer der Fahrradindustrie. Die Radkolumne hat in der Firmen- und Familiengeschichte von Opel geforscht.
Zu den Pionieren des deutschen Fahrzeugbaus zählt Adam Opel (1837-1895), der Sohn eines Schlossermeisters. Der Rüsselsheimer Unternehmer gründete eine Nähmaschinenfabrik und wurde mit der Fahrradproduktion berühmt.
Adam Opel & die Opelwerke
Adam Opel erblickt 1837 in Rüsselsheim das Licht der Welt, und zwar als ältester Sohn des Rüsselsheimer Schlossermeisters Philipp Wilhelm Opel. Beim Vater geht der Familienmensch dann auch gleich in die Lehre. In seinen Wanderjahren ab 1857 bereist Adam Opel Belgien, England und Frankreich. 1862 gründet er in der Rüsselsheimer Innenstadt, am heutigen Löwenplatz, eine Nähmaschinen-Manufaktur. Das Unternehmen prosperiert. 1882 hat das Opelwerk 210 Beschäftigte und baut jährlich 15.000 Nähmaschinen.
Die Heirat
In Homburg vor der Höhe heiratet Adam Opel im Jahr 1886 Sophie Marie Scheller, die Tochter eines vermögenden Hotelbesitzers und Likörfabrikanten. Im selben Jahr errichtet das Unternehmen eine zweistöckige Fabrik, direkt neben der Bahnlinie Frankfurt-Mainz. Die Nähmaschinen verkaufen sich gut, aber Adam Opel begeistert sich auch für eine neue technische Entwicklung: dem Fahrrad.
Weihnachten 1885
Adam von Opel war nach Paris gereist und hatte die ersten Hochräder auf den Straßen entdeckt. Seinen fünf Söhnen macht er ein Hochrad zum Weihnachtsgeschenk. Die Beschenkten begeistern sich sofort für das neue Gefährt.
1886: Das erste Opel-Fahrrad
Im Jahr 1886 hat Adam Opel sein zweites Standbein nach der Nähmaschine zur Marktreife gebracht. In Rüsselsheim wird das erste Hochrad fertiggestellt. Doch diese Produktionslinie geht bald zuende. Sein Sohn Carl nimmt mit einem Niederrad an einem Rennen im Frankfurter Palmengarten teil und gewinnt. Ende 1887 werden die Hochräder weltweit von Niederrädern, den sogenannten Sicherheitsrädern abgelöst. Auch die Opelwerke setzen auf die moderne Form des Fahrrads. Die Modernisierung zahlt sich aus. 1888 folgt die Einweihung einer Fabrikhalle, in der ausschließlich Fahrräder produziert werden.
Fahrradbauer Adam Opel
Für die Reklame sorgen die fünf Opel-Söhne. Das Bild der Opel-Brüder auf ihrem Fünfsitzer, dem Quintuplet, geht um die Welt. Berühmt werden Friedrich, Heinrich, Ludwig, Wilhelm und Carl aber auch durch ihre Erfolge im Radsport. Insgesamt gewinnen sie mehr als 560 Rennen. 1890 gewinnt Wilhelm die Meisterschaft von Hessen und die Meisterschaft von Mähren. Am erfolgreichsten ist Friedrich „Fritz“ Opel mit über 180 Siegen. 1894 gewinnt er die 620 Kilometer lange Distanzfahrt Basel–Cleve. Distanzfahrten tragen zu dieser Zeit, in der das Fahrrad mit dem Pferd konkurriert, zur Popularität des Fahrrads bei.
Quelle: opel.com
1895: Sophie Opel übernimmt die Geschäfte
Der Firmengründer Adam Opel stirbt 1895, im Alter von nur 58 Jahren, an einer Typhus-Erkrankung. Nach dem Tod des Ehemanns betreibt die Witwe Sophie mit den fünf Söhnen das Unternehmen erfolgreich weiter. Unter „Mutter Opel“ wird das Fließband eingeführt. 1898 beschäftigen die Opel-Werke rund 1200 Angestellte. Produziert werden etwa 25.000 Nähmaschinen und 15.000 Fahrräder. Sophie Opel stirbt im Alter von 73 Jahren, am 30. Oktober 1913. Bestattet wird sie im Opel-Mausoleum in Rüsselsheim. Ihr Sohn Ludwig fällt 1916, im Alter von 36 Jahren, im ersten Weltkrieg.
Unter der Leitung von Friedrich und Wilhelm wächst die Firma zum größten Fahrradhersteller Deutschlands und steigt in der Mitte der 20er-Jahre zum größten Fahrradhersteller der Welt auf. Durch den Rennsport wird das Opel-Rennrad ZR3 zur Legende. Die besten Radrennfahrer der Zeit fahren mit diesem Modell zahlreiche Siege ein.
1898: Beginn der Autoproduktion
Die Ära der Automobile begann bei Opel 1898, drei Jahre nach dem Tod von Adam Opel, mit der Übernahme der Dessauer Motorwagenfabrik des Erfinders und Unternehmers Friedrich Lutzmann. Die Herstellung wurde 1899 komplett von Dessau nach Rüsselsheim verlegt. Zwischen 1899 und 1901 produziert das Werk den Opel-Patentmotorwagen „System Lutzmann“, das Modell steht in verschiedenen Varianten zwischen 4 PS und 20 PS zur Verfügung. Im Jahr 1912 verfügen die Opelwerke über 3000 Arbeiter. Produziert werden etwa 30.000 Fahrräder und 3000 Automobile.
1920: Die Opel-Rennbahn
Südlich von Rüsselsheim geht 1920 die Opel-Rennbahn in Betrieb, ein 1,5 Kilometer langes Oval. Zu dieser Zeit ist die Anlage der schnellste Kurs in Europa. Doch die Epoche währt nicht sehr lange, ab 1927 steht sie im Schatten des Nürburgrings, ab 1932 kommt stiehlt das Motodrom in Hockenheim der Opel-Rennbahn die Schau.
1926: Das einmillionste Opel-Fahrrad
Im Jahr 1926 wird das einmillionste Fahrrad verkauft. Ende der 20er Jahre produziert Opel so viele Fahrräder wie kein anderer Hersteller der Welt. Doch die Wirtschaftskrise der 20er-Jahre trifft auch das prosperierende Unternehmen hart.
1929 verkaufen Wilhelm und Friedrich Opel 80 Prozent der Unternehmensanteile an den amerikanischen Automobilkonzern General Motors (GM). 1931 folgt die komplette Übernahme, wobei Wilhelm und Friedrich im Aufsichtsrat verbleiben und Friedrich den Vorstand leitet. Die Modellpolitik wird weiterhin in Rüsselsheim betrieben. Friedrich Opel stirbt 1938 im Alter von 63 Jahren.
Opel vor und im Zweiten Weltkrieg
Seit 1937 bereitet sich Deutschland intensiv auf den Krieg vor, auf Weisung des NS-Regimes werden auch bei Opel immer mehr rüstungstechnisch relevante Fahrzeuge produziert, die Fahrradproduktion wird zu Gunsten des Automobils eingestellt. Mehr als 2,6 Millionen Fahrräder hatte Opel bis dahin produziert. In den ersten Kriegsjahren, von 1939 bis 1941, profitiert der Mutterkonzern GM von der Herstellung kriegswichtiger Fahrzeuge. Erst mit Hitlers Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten, im Dezember 1941, stoppt GM die Unterstützung für Opel. Mitte 1944 werden die Opelwerke von den Alliierten bombardiert und zu einem Großteil in Schutt und Asche gelegt.
Von Opel zu Opelit
Mitte 1946 ist das Opelwerk teilweise wieder aufgebaut. Produziert werden das Lkw-Vorkriegsmodell Opel Blitz, aber auch Kühöschränke. Am 28. Dezember 1947 läuft der erste Opel-PKW vom Band, das Vorkriegs-Modell Olympia. 1948 übernimmt General Motors wieder das Unternehmen. Zwischen 1962 und 2014 produziert Opel an einem zweiten Standort in Bochum. 1990 beginnt die Fertigung von Opel-Modellen in Eisenach.
Die Produktion der Opel-Fahrräder wurde nach dem Krieg nicht wieder aufgenommen. Allerdings gründet Georg von Opel, der Enkel von Adam und Sohn von Carl Opel, im Jahr 1947 die vom Mutterkonzern GM unabhängige Opelit GmbH. Das neue Unternehmen spezialisiert sich auf Ruderboote und Sportgeräte.
2015: Die Fahrradmarke Opelit
Im 21. Jahrhundert führt Gregor von Opel, der Sohn des Erfinders Dr. Georg von Opel und Urenkel der Firmengründers Adam Opel, die Fahrradgeschichte der Familie fort. Im Jahr 2015 präsentiert der Unternehmer im Opel-Zoo vor Gästen aus Politik, Wirtschaft und Sport die Fahrradmarke Opelit. In Frankfurt werden wieder erfolgreich Fahrräder aus Opel-Händen verkauft. Ausgestattet sind sie mit edlen britischen Brooks-Sätteln und Schaltsystemen und Bremsen von Shimano, montiert werden die Fahrräder von deutschen Zulieferern. Die Produktpalette deckt Citybikes, Trekking-Bikes, Pedelecs, E-Bikes, Mountainbikes und Rennräder ab. Im Jahr 2017 fährt ein Radsportteam unter dem Namen „Opelit – Fachklinik Dr. Herzog“. Die Modell tragen Namen, die vor allem die regionalen Radfreunde ansprechen sollen, zum Beispiel Mainhattan, Taunus und Feldberg. Das Unternehmen mit Sitz in Kronberg im Taunus beschäftigt rund ein Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einen Showroom betreibt das Unternehmen im „Oldtimer-Paradies“ der Frankfurter Klassikstadt. Der Vertrieb findet vorwiegend über das Internet statt.
Wirtschaft heißt Wandel
Und die Moral der Opel-Geschichte? Die Produktpalette eines Unternehmens ist nicht in Stein gemeißelt. Ein gesunde Firma produziert, was gebraucht wird. Ob das Nähmaschinen, Fahrräder oder Automobile sind, entscheidet der Markt. Niemand braucht in Schnappatmung zu verfallen, wenn in Deutschland weniger Autos hergestellt werden. Wirtschaft heißt Wandel. Ein Wandel in der Fahrzeugindustrie bedeutet nicht Deindustriealisierung sondern Modernisierung. Mit Opelit ist die Opel-Familie wieder in den Schoß der Fahrradindustrie zurückgekehrt. Zurück zu den glorreichen Anfängen, zurück zu Adam. Die Radkolumnne wünscht Opelit viel Erfolg!
Adam Opel und das Auto
Der Nähmaschinen – und Fahrradfabrikant Adam Opel starb 1895, noch vor der Produktion des ersten Opel-Automobils. Noch überliefert ist, was er beim Anblick eines Automobils ausgerufen haben soll:
„Aus diesem Stinkkasten wird nie mehr werden als ein Spielzeug für Millionäre, die nicht wissen, wie sie ihr Geld wegwerfen sollen!“
Adam Opel (1837-1895) Quelle: Opel Jugend Kalender 1965, S. 31
Die Radkolumne meint: Halten wir das Vermächtnis von Adam Opel in Ehren! Und freuen wir uns auf die Zeit, in der wir wieder stolz sagen können: Ich fahre ein Opel. Ein Fahrrad natürlich. Es könnte ja sein, dass Opelit die Marke Opel eines Tages übernimmt.
Die Marke Opel
Opel gehört seit 2017 nicht mehr zu GM, sondern zur französischen PSA-Gruppe. Im Januar 2021 fusionierten die Automobilkonzerne Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und die Groupe PSA (PSA) zur Stellantis AG mit Sitz in Amsterdam. Die deutsche Niederlassung hat ihre Zentrale in Rüsselsheim, dem traditionreichen Stammsitz von Opel.
Der Opelsteg
Zum Schluss dieses Beitrags noch ein kleiner Touren-Tipp: In Rüsselsheim wurde 2015 der Opelsteg eröffnet. Der Fahrradsteg führt aber nicht über den Fluss, sondern am Mainufer entlang. Damit wurde eine Lücke am südlichen Mainufer geschlossen. Die Länge des Stegs, der am ehemaligen Opel-Kraftwerk und einem nicht mehr genutzen Hafen vorbei führt, beträgt 440 Meter. Die Breite ist mit 2,5 Metern etwas knapp, aber zum Verweilen und Ausweichen von Lastenrädern sind einige Buchten angebracht. Auf beiden Seiten des Stegs befindet sich ordentliche Radwege, die gesamte neu geschaffene Route beträgt insgesamt knapp 1,5 Kilometer. Auf dem Steg selbst klappert es ein wenig, was an der Konstruktion aus Bodenplatten liegt – und nicht an eurem Fahrrad. Ihr müsst also nicht nachsehen, ob etwas kaputt gegangen ist.
Fazit: In Opel steckt mehr Fahrrad drin, als du denkst.
PS: Herrn Adam Opel haben wir dieses Bonmot zu verdanken:
Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad.
Adam Opel
Fun Fact: Bis 1989 existierte in Deutschland der Ausbildungsberuf des Nähmaschinen- und Zweirädermechanikers. Wer heute in das Fahrradhandwerk einsteigen möchte, absolviert eine 2-jährige Ausbildung zum Fahrradmonteur oder 3 1/2-jährige Ausbildung zum Zweiradmechatroniker.
Der Zweiradmechtroniker bietet zwei Fachrichtungen, nämlich Fahrradtechnik und Motorradtechnik. Beides ohne Nähmaschinenkunde. 😉
Dein Artikel über Adam Opel ist ‚wieder mal‘ ein Sahnestückchen velophiler Berichterstattung! Es gibt im Ruhrgebiet sogar einen Fahrradladen, der die unmotorisierten zweirädrigen Produkte aus dem Hause Opel zum Motto der Dekoration erhoben hat; was sind da für schöne Pedalflitzer dabei!!!
Daß Adam selbst die Autoproduktion nicht mehr erlebt hat, sie sogar negativ konnotiert war mir neu.
gruß bernd
Hallo Namensvetter, danke für das Feedback… bin eher zufällig auf die Opel-Story gestoßen, weil ich nach Fahrradbildern gegoogelt habe. 😉
Grüße nach Kassel,
Bernd Schmitt
Ich bin erstaunt, dass Adam Opel bekanntes Zitat keinen Einzug in den Artikel gefunden hat: „Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden, wie beim Fahrrad.“ (Adam Opel)
Ansonsten vielen Dank für das Verbreiten dieser Industriegeschichte.
Hallo,
vielen Dank. Das Zitat hab ich tatsächlich bei meiner kleinen Opel-Fahrrad-Industriegeschichte vergessen. Jetzt ist es drin!
Viele Grüße,
Bernd Schmitt